Europa zieht in den Papierkrieg: Warum EU-Pläne für Aufrüstung voll leerer Worte sind

FRANCE-EU-PARLIAMENT
Unter Druck, die Aufrüstung Europas anzugehen, präsentiert die EU einen neuen „Fahrplan zur Verteidigungsbereitschaft“. Doch der hüllt offene Fragen wieder in große Worte

Es war nur eine Randbemerkung vor Journalisten, doch sie sagt mehr über die neuen EU-Aufrüstungspläne als die Dutzenden Seiten, auf denen die präsentiert wurden. Nein, das sei keineswegs eines dieser „typischen Produkte der EU-Kommission“ betonte ein Spitzenvertreter eben dieser Kommission, „auf diese Pläne haben sich alle geeinigt.“

Geeinigt ja, aber worauf konkret? Das wollten an diesem Donnerstag nicht nur die Dutzenden Reporter in der Brüsseler EU-Zentrale wissen. Der „Verteidigungsbereitschafts- Fahrplan 2030“ bleibt wie schon seine Vorgänger entscheidende Fragen schuldig und bietet nur sehr allgemein gehaltene militärische Ziele. In etwa also das „was so gerade in den Schlagzeilen steht“, wie ein erfahrener EU-Kenner bemerkte.

Drohnenwall ist out

Vier „Vorzeigeprojekte“ nennt der Plan - und die sind auch für militärische Laien so naheliegend wie banal. Ein „Luftverteidigungs-Schild“, ein „Weltraum-Verteidigungsschild“, eine „Europäische Drohnen-Verteidigungs-Initiative“ und eine „Wache an der östlichen Flanke.“

Diesen Dingen wird, so betont die EU-Kommission „zentrale Bedeutung für Europa“ beigemessen. Es seien also „gesamteuropäische Projekte“. Das der erst vor wenigen Wochen ins Leben gerufene „Drohnenwall“ schon wieder umgetauft wurde, ist nur eine Pointe am Rande, zeigt aber, auf welchen tönernen Füßen diese angeblichen Großprojekte stehen.

So europäisch die auch sein mögen, die Teilnahme daran, ist für jedes Land freiwillig, Die EU-Staaten, so wird betont, seien „am Steuer“ und für „ihre Verteidigung selbst verantwortlich“. Was das für ein europäisches Verteidigungsprojekt bedeutet, zeigt schon die Debatte der letzten Monate, in der die Staaten im Osten Europas massive Aufrüstung forderten und die Staaten im Westen und Südwesten hartnäckig auf der Bremse standen.

Als Ergänzung zu diesen Vorzeigeprojekten sind sogenannte „Fähigkeits-Koalitionen“ vorgesehen. Da können sich mehrere EU-Staaten in Eigenregie zusammentun, um ein gemeinsames Rüstungsprojekt in die Wege zu leiten. Die jüngsten Erfahrungen mit solchen Projekten waren für Europa bitter. Der Jahrzehnte-alte Plan eines gemeinsamen Kampfjets ist gerade gescheitert, der ähnlich lange in der Schublade liegende gemeinsame Panzer liegt bis auf weiteres dort.

Geld ist schon vergeben

Da die EU ihre traditionell eigensinnigen nationalen Militärführungen zu nichts zwingen kann, betont man, die gemeinsamen Projekte durch finanzielle Anreize voranbringen zu wollen. Zwei Geldtöpfe gibt es dafür: Der Größere namens „SAFE“ - mit rund 180 Milliarden Euro – enthält von Brüssel abgesicherte zinsenfreie Kredite. Diese Milliarden haben sich die nationalen Militärs mit ihren eingereichten Projekten gesichert. Wer noch drankommen will, muss sich beeilen: Ende der Einreichfrist ist im November. Keine Zeit, um neue Pläne zu schmieden und dafür Partner zu finden.

Im anderen Geldtopf mit der Aufschrift EDIP („European Defence Industry Programm“) steckt tatsächlich Geld aus dem EU-Budget. Die 1,5 Milliarden sind aber ebenfalls längst verplant und gelten unter Verteidigungsexperten in Brüssel ohnehin als völlig unzureichend, um wirklich große gemeinsame Projekte zu verwirklichen. Auf eine Aufstockung aber können sich die Staaten seit Monaten nicht einigen.

Nicht nur die Staaten wollen sich beim Thema Verteidigung von Brüssel nur ungern dreinreden lassen. Auch die NATO, traditionell für die Verteidigung Europas zuständig, schaut mit Argusaugen auf die militärischen Gehversuche der EU. Taktik, Strategie und militärische Planung, das bleibe natürlich alles Aufgabe der NATO, betont man jetzt in der EU-Kommission. Bei den aktuellen Plänen ginge es lediglich um militärische Fähigkeiten.

Dass hier bewaffnet und dort geplant werden soll - von der seltsamen Lage neutraler Staaten wie Österreich ganz zu schweigen – lässt das Vertrauen in den neuen EU-Fahrplan auch nicht wachsen. Verteidigungskommissar Andrius Kubilius musste sich also schon bei der Präsentation verteidigen - gegen sehr viele sehr laute Zweifel: „Diesmal geht es nicht um neue Pläne und neue Ziele - und nichts passiert. Das hatten wir ja schon öfter.“

Kommentare