EU und NATO umgarnen Türkei

Hahn, Mogherini, Cavusoglu, Celik: Freundliche Töne
Kommissar Hahn für Eröffnung neuer Beitrittskapitel / Mogherini: "Volle Solidarität".

Niemand denke daran, neue Beitrittskapitel mit der Türkei aufzumachen, hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kürzlich beim Treffen der EU-Außenminister in Bratislava gesagt. Wenn doch, dann erfordere das Einstimmigkeit, verwies Kurz auf sein Veto-Recht. Und er verteidigte den Kurs Kanzler Christian Kerns (SPÖ), die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wegen der Säuberungswellen nach dem gescheiterten Putschversuch zu stoppen.

In den anderen EU-Staaten findet dieser Kurs wenig Gefallen. Und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn tat am Freitag beim EU-Türkei-Dialog in Ankara das, woran angeblich niemand denkt: Er sprach sich mit dem türkischen EU-Minister Ömer Celik überraschend deutlich für die Eröffnung der Beitrittskapitel 23 und 24 aus, bei denen es u. a. um Justiz, Grundrechte und Freiheit geht. Hahn sagte, die Kommission habe mit Vorbereitungen begonnen, die Entscheidung liege aber bei den Mitgliedsstaaten. Zypern blockiert bisher. Celik forderte die Eröffnung noch heuer, Hahn sprach von "so bald wie möglich".

Im Streit um die EU-Visafreiheit für Türken zeigten sich Hahn und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu optimistisch, dass eine Lösung gefunden werden könne. Voraussetzung ist aus EU-Sicht eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze, was die Türkei ausschließt. Celik und Çavuşoğlu schlugen vor, den Europarat einzubeziehen. Çavuşoğlu hatte erst diese Woche neuerlich mit einem Ende des Flüchtlingsdeals mit der EU gedroht, sollte die Visafreiheit nicht kommen.

"Sachliche Basis"

"Es ist wichtig, dass wir zu einer sachlichen Arbeitsbasis zurückkehren. Und es ist für die EU wichtig, die Stabilisierung in der Türkei und in der gesamten Region zu fördern", sagte Johannes Hahn nach den Gesprächen zum KURIER. Fortschritte besonders im Menschenrechtsbereich seien im elementaren Interesse der EU. Er und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (sie war ebenfalls in Ankara) hätten klar gemacht, dass es keine Kompromisse bei den Standards bzw. Kriterien für die Visaliberalisierung geben wird.

Die freundlichen Töne seitens der EU sind der Versuch, die Türkei aus jener Ecke herauszuholen, in die sie sich nach dem Putschversuch mit Massenverhaftungen und Ausnahmezustand gebracht hat. Mogherini sicherte der Türkei mit Blick auf den Putschversuch vom 15. Juli "volle Solidarität" zu, EU-Minister Celik versprach "keine Abstriche" bei Menschenrechten und Demokratie.

Und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, ebenfalls in Ankara, verurteilte den Putschversuch: "Jeder Angriff auf die Demokratie in jedem unserer Länder ist ein Angriff auf die Grundlage unserer Allianz."

Und Kurz? "Es sollten keine weiteren Kapitel eröffnet werden, insbesondere aufgrund der bedenklichen Menschenrechtslage in der Türkei", hieß es zum EU-Vorgehen aus seinem Ministerium gestern.

Kommentare