EU-Sanktionen: Hoffen auf Österreich
KURIER: Es kommen wieder mehr Russen nach Österreich auf Urlaub, obwohl es die EU-Sanktionen noch immer gibt und der Rubel noch relativ niedrig ist. Warum?
Dmitrij Ljubinskij: In den letzten zwei Jahren ist der Tourismus stark gesunken, der Rubelkurs spielte eine entscheidendere Rolle dabei. Deshalb haben wir 2017 ein österreichisch-russisches Tourismusjahr organisiert. In den ersten sechs Monaten gab es einen Zuwachs von 33 Prozent österreichischer Touristen in Russland, und von russischen Touristen nach Österreich einen Zuwachs von vierzig Prozent.
Warum funktioniert es wieder?
Gute Werbung und Vorbereitung. 2018 wird zum Jahr der Musik zwischen Österreich und Russland, zum ersten Mal. Wir werden höchst interessante Künstler und Musiker aus verschiedenen Regionen Russlands hier präsentieren. Nicht nur klassische russische Musik, sondern auch moderne. 2019 wird der Vertiefung des Jugendaustausches gewidmet.
Woran denkt ein Russe bei Urlaub in Österreich?
An die Berge und an die Musik vor allem (lacht). Das Durchschnittsalter der Touristen wird immer jünger.
Die Sanktionen bleiben aber weiter bestehen. Die FPÖ war immer gegen Sanktionen. Haben Sie Hoffnung, dass sich diese durch eine Beteiligung der FPÖ lockern könnten?
Die letzte Regierung war auch gegen Sanktionen. Wir verstehen und schätzen die Position Österreichs. Wir hoffen, dass die konstruktive Mehrheit gegenüber Russland, die momentan in der Europäischen Union besteht, die eigene Position verstärken wird und gerade unter dem österreichischen EU-Vorsitzenden im zweiten Halbjahr die Möglichkeit bestehen wird, die Sanktionen stufenweise aufzuweichen.
Wobei sich alle leichter täten, wenn Russland sich aus der Ukraine zurückzöge.
Die Sanktionen sollen zur Erfüllung des Minsker Abkommens führen. Da wird man keine Punkte finden, die Russland direkt betreffen. Die ukrainische Seite hätte sehr vieles für das Minsker Abkommen zu machen. Es ist leider nicht der Fall.
Die Ukraine ist also schuld?
Es geht aber nicht um Schuld, sondern um Verantwortung bei Erfüllung erzielter Kompromisse.
Und die Krim bleibt russisch, oder gibt es da Zweifel?
Das ist eine geschlossene Frage.
Dann kommen wir noch zu wirtschaftlichen Themen. Der Rubel ist ja jetzt wieder etwas besser, aber noch immer relativ schwach. Auch das Wirtschaftswachstum ist schwach, die Inflation relativ hoch. Was muss Russland tun, damit die Wirtschaftslage besser wird.
Die wirtschaftliche Lage ist nicht einfach, aber stabil. Die Sanktionen haben natürlich gewirkt, aber auch positive Auswirkungen gehabt. Das bedeutet Zentralisierung, Lokalisierung der Produktion im Rahmen der Russischen Föderation. Aber keine österreichische Firma hat sich aus dem russischen Markt zurückgezogen. Und die Investitionen sind dabei bedeutend gestiegen. Es gibt viele neue innovative moderne Projekte, wir werden gemeinsame neue Produktionen in verschiedenen Regionen Russlands eröffnen.
Die Sanktionen sind also eh nicht schlimm?
Die Auswirkungen sind nicht immer schlimm. Es geht um wirtschaftliche Rahmenbedingungen, und alle bedeutende Unternehmen müssen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Die Schlussfolgerungen wurden gezogen, und die Produktion bekommt mehr Entwicklung innerhalb des Landes. Auch mit Unterstützung unserer wirtschaftlichen Partner aus Europa, aus Österreich. Das ist eine positive Sache.
Wladimir Putin wird am 18. März wieder antreten, niemand zweifelt daran, dass er wieder gewählt wird, obwohl die Wirtschaftslage gar nicht so gut ist.
Ich glaube, für sehr viele Russen ist Putin Garant der Stabilität des Landes. Politisch, wirtschaftlich, menschlich. Insgesamt gibt es 15 Kandidaten.
Wenn Putin klar in Führung ist, warum darf der Kreml-kritische Alexej Nawalny nicht antreten?
Nawalny hat damit überhaupt nichts zu tun. Die Einschätzungen sind, dass Nawalny unter zwei Prozent bekommen würde. Das ist unbedeutend.
Aber Nawalny ist Putin lästig.
Das würde ich nicht sagen. Er hat eine nicht so klare Vergangenheit. Schiedsrichterliche Prozesse gegen Nawalny sind nicht abgeschlossen. Das ist der einzige Grund, wieso er zu den Wahlen nicht zugelassen ist.
Putin steht für Stabilität. Putin steht auch dafür, dass Russland eine Weltmacht ist. Die Weltmachtstärke Putins, ist es nicht das, was ihn so stark macht?
Ich glaube, das spielt natürlich eine Rolle. Aber für den Russen ist das nicht das Wichtigste.
Aber warum ist es überhaupt für den Russen so wichtig, Weltmacht zu sein?
So ist die Geschichte unseres Landes. Es geht nicht darum, Weltmacht zu sein oder nicht. Wir brauchen ruhige politische Bedingungen für die Entwicklung des Landes. Bei allen Widrigkeiten der Lage ist es wichtig, eine Militärmacht zu bleiben, und die Gefahren, die aus dem Nahen Osten kommen, die sind fast gleich für Russland wie für unsere europäischen Freunde. Deshalb sind wir im engen Kontakt mit allen wichtigen Partnern mit dem Ziel, alle notwendigen Kräfte gemeinsam zu nutzen. Das Ziel Putins ist eine konsequente, positive Entwicklung des Landes.
In der EU gibt es Länder, die gegen die Sanktionen sind. Wer ist der stärkste Gegner Russlands in der EU?
Ich würde nicht den Begriff Gegner nehmen. Skeptiker schon eher. Bekanntlich sind z.B. die Beziehungen zu Polen oder den baltischen Ländern nicht einfach, aus historischen Gründen. Es gibt aber nicht so viele Länder, die gegenüber Russland negativ eingestellt wären.
Hoffen Sie, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt?
(Lacht) Das ist die Wahl des deutschen Volkes. Aber je schneller wir einen Kanzler in Deutschland bekommen, desto schneller haben wir einen Gesprächspartner – desto besser.
Sie sind ausgerechnet 1989 Diplomat geworden, als die Mauer gefallen ist. Sie haben die alte Sowjetunion als Diplomat nicht mehr erlebt, sondern das neue Russland mit Gorbatschow, Jelzin und Putin. Haben Sie manchmal gespürt, dass noch ein Teil der UdSSR im neuen Russland steckt?
Das ist eine interessante Frage. Die Sowjetunion ist nicht auf einmal zerfallen, das ging über einige Jahre, die Menschen haben diese Ereignisse viel später verarbeitet. Im Außenministerium arbeiten sehr kompetente Fachleute, für sie war der Zerfall der Sowjetunion natürlich ein Schlag, aber auch eine neue Herausforderung. Ja, ich habe 1989 den Job im Auswärtigen Dienst angetreten und befasse mich seit 30 Jahren mit der europäischen Politik. Was unsere bilateralen Beziehungen mit Österreich betrifft, bin ich glücklich, gerade in diesen Jahren Botschafter in diesem Land zu sein. Ich bin mir sicher, dass die österreich-russischen Beziehungen unter sehr guten Sternen stehen. Wir haben breite Pläne, wir haben positive Entwicklungen in verschiedenen Bereichen.
Was ist Ihre Lieblingsgegend, wenn Sie Urlaub in Österreich machen?
Es gibt sehr viele (lacht). Ich bin sehr gerne – wenn es die Arbeit erlaubt – mit der Familie unterwegs. Gerade jetzt bin ich zurück aus den Bergen, ich liebe das Salzkammergut, den Wörthersee.
Das heißt, Sie werden später auch ein Botschafter des österreichischen Tourismus in Russland sein.
Absolut.
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