Klarer Sieg für Von der Leyen: Zweite Amtszeit für Kommissionspräsidentin fix
Es war ein hektisches Tauziehen - mit einem zuletzt sehr klaren Ergebnis. Mit 401 von 707 Stimmen wurde Ursula von der Leyen am Donnerstag im EU-Parlament in Straßburg als Chefin der EU-Kommission wiedergewählt. Damit kann ihre neue EU-Kommission voraussichtlich noch im Herbst ihre Arbeit aufnehmen. Die Besetzungen laufen ja bereits
Von der Leyens Wahlwerbe-Rede am Donnerstag vor dem Parlament hat also viele Bedenken in letzter Minute ausgeräumt. Es war eine Rede, übervoll an Themen - und mit einem klaren Ziel: Es möglichst allen recht zu machen, konkret also allen politischen Fraktionen im EU-Parlament, die sie für ihre Wiederwahl gebraucht hat
Die Basis für den Erfolg der CDU-Politikerin: Die Stimmen ihrer EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen. In Summe mehr als 400 Stimmen. Also sprach von der Leyen in ihrer etwa 50-minütigen Rede vor dem EU-Parlament quasi der Reihe nach alle Themen an, die diesen Parteien wichtig sind: Von mehr Förderung und Bürokratie-Abbau für die Wirtschaft bis zu fairen Einkommen für Europas Landwirte, die ja zuletzt über Monate auf die Straße gegangen waren.
Trotzdem war damit gerechnet worden, dass es auch in den drei Parteien zahlreiche Abweichler geben wird, die Von der Leyen ihre Stimme verweigern. Die notwendigen zusätzlichen Stimmen dürften die Grünen liefern, die zwar nicht Teil des Dreiparteien-Bündnisses sind, aber trotzdem zu einem Gutteil ihrer Mandatare der Kommisssionschefin ihre Stimme geben wollen.
Ohrfeige für Orban
Bemerkenswert harte und offene Kritik gab es in der Rede nur an Ungarns Premier Viktor Orbán und seinen kürzlich absolvierten Reisen nach Moskau und Peking. Mit einer "Friedensmission" wie Orbán behauptet hatte, habe das nichts zu tun. Es sei lediglich "appeasement" also "Befriedungs"-Politik für einen Diktator und Kriegsherren, zog Von der Leyen eine klare Parallele zum Umgang von Staaten wie Großbritannien vor dem Zweiten Weltkrieg mit Adolf Hitler, als der sich bereits Länder wie die Tschechoslowakei einverleibt hatte.
Radikale Rumänin aus dem Saal geworfen
Mehrfach versuchte eine rumänische EU-Abgeordnete Von der Leyens Rede zu unterbrechen. Diana Iovanovici Sosoaca, eine bekannt radikale Politikerin, die Mitglied der EU-feindlichen AUR-Partei ist, störte die Rede durch Zwischenrufe und hielt religiöse Symbole in die Höhe. Sie wurde nach mehreren Ermahnungen schließlich von den Saaldienern hinausbefördert.
Aus Green Deal wird "Green Industrial Deal"
Die Schwerpunkte für die kommenden fünf Jahre legte von der Leyen in ihren Donnerstagfrüh veröffentlichten Leitlinien vor und deklinierte sie auch in ihrer Rede ordentlich durch. Die Prioritätensetzung bleibt ähnlich wie bisher: Der Asyl- und Migrationspakt soll umgesetzt und die Außengrenzen der EU gestärkt werden. Für stärkere Grenzen verspricht die Kandidatin ein "voll funktionsfähiges europäisches digitales Grenzmanagement". Ein neuer, gemeinsamer Ansatz soll mehr Rückführungen ermöglichen.
An den Zielen des Green Deal, also allen EU-Maßnahmen gegen den Klimawandel, soll festgehalten werden, allerdings wird er von nun an "Green Industrial Deal" heißen und vor allem den grünen Umbau der Wirtschaft vorantreiben. Gerade die Pläne für sogenannten "Grünen Wasserstoff" wurden in der Rede besonders deutlich hervorgehoben. Die EU hinkt da allerdings ihren eigenen Plänen deutlich hinterher, wie der EU-Rechnungshof gerade festgestellt hat.
Für die Grenzsicherheit sei zudem "überaus wichtig, einen vollständigen und voll funktionierenden Schengen-Raum sicherzustellen". Bulgarien und Rumänien seien "bereit und sollten alle Vorteile des Schengen-Raums genießen". Dies richtet sich an Österreich, das die volle Aufnahme der beiden Länder in den Schengen-Raum derzeit blockiert.
Die Leitlinien betonen auch die Bedeutung der Erweiterung: "In einer Welt der Großmächte verleiht eine größere und stärkere Union uns mehr geopolitisches Gewicht und Einfluss auf der Weltbühne." Jeder Kandidat müsse jedoch die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, bevor er beitreten dürfe.
Verbrenner-Aus: Ausnahme bei E-Fuels versprochen
Von der Leyen will ihren Green Deal für den Klimaschutz stärken, indem sie eine Regelung zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie vorlegen will. Im Streit um das Verbrenner-Aus verspricht von der Leyen in ihren Leitlinien einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Dies ist im Sinne Österreichs beziehungsweise der Kanzlerpartei ÖVP, die sich gegen ein komplettes Verbrenner-Aus positioniert hat. Eine "echte Energieunion" soll die Energierechnungen weiter senken.
Die Verteidigungsindustrie der EU soll mit einem eigenen Kommissar und mehr Geld gestärkt werden. Von der Leyen will eine "Verteidigungsindustrie" aufbauen und in den ersten 100 Tagen ihres Mandats ein Weißbuch zur Zukunft der Verteidigung vorlegen. Zudem will sie eine neue europäische Strategie für die innere Sicherheit vorschlagen, um die Kriminalität zu bekämpfen.
Absolute Mehrheit notwendig
Zusammen verfügen die Fraktionen EVP, Sozialdemokraten und Liberale über 401 der 720 Sitze. Für eine Wiederwahl benötigt die Kommissionschefin eine absolute Mehrheit von 361 Stimmen. Diese dürfte sie am Donnerstag erreichen, da auch einige Abgeordnete der Grünen und der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in der geheimen Wahl für sie stimmen dürften.
Die EU-Abgeordneten der ÖVP, die der EVP-Fraktion von der Leyens angehören, dürften für sie stimmen. SPÖ, Grüne und NEOS signalisierten eine Zustimmung unter Bedingungen. Die FPÖ-Mandatare wollen der deutschen Politikerin keine Stimme geben.
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