Faymann: "Österreich zahlt nicht mehr"

epa03763135 Austrian Federal Chancellor Werner Faymann arrives for the European Council summit in Brussels, Belgium, 27 June 2013. European Union leaders will meet for a two-day summit amid high expectations for progress on everything from the bloc's economic crisis to its enlargement, but also scepticism that they will be able to cover much ground. EPA/JULIEN WARNAND
Der EU-Budgetrahmen steht - mit Briten-Rabatt. Österreich würden dadurch aber keine Mehrkosten entstehen, meint Kanzler Faymann.

Ich bin froh, dass das erledigt ist", sagt Kanzler Werner Faymann am Tag nach dem Beschluss zum EU-Finanzrahmen bis 2020: In der Nacht auf Freitag hatten sich die Gipfelteilnehmer nach langem Ringen endlich auf die Finanzierung für die nächsten Jahre geeinigt. Inklusive der Abschläge für Großbritannien: "Alle Aufregungen sind vorbei", meinte Faymann in Bezug auf den Briten-Rabatt - 2012 machte der UK-Rabatt geschätzte vier Milliarden Euro aus (mehr zum Beschluss: siehe unten).

Negative Konsequenzen für die anderen EU-Staaten würden dadurch allerdings keine drohen: Faymann betonte, dass Österreich wegen des Briten-Rabatts nicht mehr zahlen müsse. "Nein. Weil die Briten nichts erreicht haben, außer dem Text, den wir schon im Februar beschlossen haben". Es habe "zwar sehr viel Aufregung gegeben, aber herausgekommen ist das, was im Februar auch schon herausgekommen ist".

Tag zwei gehört der Jugend

Am zweiten Tag des Gipfels widmet man sich einem Milliardenpaket für die Jugendbeschäftigung. Angesprochen darauf, dass der britische Premier David Cameron ja heute offenbar nichts mehr blockieren kann, zeigte sich Faymann eher zurückhaltend: "Das soll man bei Cameron nie wissen, was er heute sagen wird. Aber ich hoffe das Beste".

Die sechs Milliarden für die Jugendbeschäftigung seien "ein Anfang. Man bräuchte sie eigentlich jährlich", bekräftigte Faymann. Aber "wenn wir nicht das Geld nutzen, um eine Ausbildung aufzubauen, und auch eine Berufsausbildung, wie das viele Länder kennen, sondern nur dafür nutzen, dass Jugendliche zwei Monate eine 'Überbrückung haben, dann ist das zu wenig. Und die Gefahr von unseren Beschlüssen ist immer, dass sie nicht ausreichen. Deshalb wünsche ich mir, dass die sechs Milliarden als Start für eine qualitativ gute Ausbildung verwendet werden".

Zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion merkte Faymann an, dass im Oktober darüber geredet und beim Dezember-Gipfel Beschlüsse gefasst werden sollen. "Wir sind weiter auseinander als der Text zeigt. Auch die Frage, was wollen wir vertiefen. Spekulationsbekämpfung, oder Stärkung der Steuerbehörden, Rechtsstaatlichkeit oder eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Da ist Österreich dagegen. Aber ich sehe viele Maßnahmen mit Betrugsbekämpfung, wo wir übereinstimmen".

Wenig Kommunikation

Beim Eintreffen im Ratsgebäude verhielten sich die Staats- und Regierungschefs der großen Länder eher schweigsam. Keine Wortspenden gab es von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, von Cameron, vom französischen Staatspräsidenten Francois Hollande oder dem italienischen Regierungschef Letta. Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite merkte lediglich an, dass die sechs Milliarden Euro für die Jugend ein gutes Anfangsprogramm seien, das allerdings durch die Staaten ergänzt werden müsse.

Der deutsche Wahlkampf ist längst in Brüssel angekommen. Vor dem EU-Gipfel über Jugendarbeitslosigkeit setzte Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU-Spitzen unter Druck, sich auf das mehrjährige EU-Budget zu einigen. Seit Monaten wurde über die Summe von 997 Milliarden Euro (inklusive Sondertöpfe) für die Jahre 2014 bis 2020 gestritten. Kurz vor Gipfelbeginn schien die Last-minute-Lösung zwischen EU-Parlament, irischer Ratspräsidentschaft und Kommission bereits gelungen. Die Einigung wurde von allen Seiten begrüßt.

Doch in der Nachtsitzung der Staats- und Regierungschefs wackelte der Deal plötzlich wieder: Es ging – wie schon so oft – um den Briten-Rabatt. Diese Ermäßigung bekommt der Nettozahler Großbritannien seit 1985.

Durch vereinbarte Umschichtungen im EU-Budget (mehr Möglichkeiten, Summen auf verschiedene Bereiche zu verschieben) fürchteten einige Mitgliedsländer, mehr für das Budget zu zahlen. Frankreich und Italien dürften daher versucht haben, den Briten einen Teil der Rechnung aufzubrummen – und eine Neu-Berechnung des Rabatts ins Spiel zu bringen. Großbritannien drohte ein Verlust von 350 Millionen Euro pro Jahr, gegen den sich Premier David Cameron stemmte. Er pochte auf einen früheren Beschluss zur Formel der Rabatt-Berechnung.

Die endgültige Einigung kam dann lange nach Mitternacht zustande. Der Briten-Rabatt bleibt unverändert, wie das beim EU-Gipfel im Februar bereits beschlossen worden war. „Eine Einigung gibt uns Sicherheit für Investitionen für mehr Arbeitsplätze“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann dem KURIER.

Jugendarbeitslosigkeit

Sechs Milliarden Euro sind im EU-Haushalt 2014-2020 für Initiativen gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen. „Bei sechs Millionen Arbeitslosen müssen wir noch mehr investieren.“ „Zu wenig“, sagt Faymann, „sechs Milliarden sollten es jährlich sein“. Der Kanzler will massiv Geld in Jugendbeschäftigung pumpen, um den jungen Arbeitslosen eine Perspektive zu geben. Diese Zahlen hat es in der EU noch nie gegeben: In Griechenland und Spanien waren zuletzt knapp 60 Prozent der 15- bis 25-Jährigen ohne Job.

Vorbild Österreich

Trotz des Budgetstreits war für Österreich gestern ein großer Tag. Auf internationalen Fernsehstationen wurden Reportagen über das Modell der Jugendbeschäftigungsgarantie gezeigt, in der Gipfel-Erklärung wird auf Österreich verwiesen, und wenn die EU jetzt Gelder an die Regierungen – vor allem jener der Krisenländer – vergibt, sind sie strikt an die Einführung der Jugendgarantie gebunden. Länder müssen Ausbildungsplätze schaffen, wo Jugendliche einen Beruf erlernen können. In Österreich gibt es dieses System schon seit dem Jahr 2008.

Noch ein Lob konnte Österreich verbuchen: In der jüngsten Wirtschaftsstatistik der EU ist Österreich vom fünften auf den 2. Platz vorgerückt.

Nicht alle Mitglieder wollen riesige Summen in die Jugendbeschäftigung stecken. Merkel ist gespalten: Im Wahlkampf kann sie nicht auf die Bremse steigen, gleichzeitig warnte sie in Brüssel, die Regierungen mögen nicht nur nach EU-Geldtöpfen schielen. Mehr Wettbewerb, Sparen und nationale Anstrengungen seien nötig.

Ähnlich sehen es auch Großbritannien, Schweden und die Niederlande. Letztere wollen im Verbund mit den Briten weitere Integrationsschritte stoppen oder schon Erreichtes zurückdrehen.

Schulterschluss

Wie ernst es den EU-Granden ist, mehr für die wirtschaftliche Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu tun, zeigt, dass zum Auftakt des Gipfels die europäischen Sozialpartner, die Präsidenten der EZB und der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingeladen waren, Sozialpartnerschaft auf europäischer Ebene. Von der EIB erwartet man sich günstige Kredite für kleinere und mittlere Unternehmen.

EU-Haushalt 2014–2020: 997 Milliarden

Rahmen Das gemeinsame Budget für die Jahre 2014 bis 2020 umfasst 997 Mrd. Euro an Zahlungsver- pflichtungen plus Sondertöpfe. Größte Brocken sind die Beträge für Regional und Agrarpolitik mit je rund einem Drittel des Budgets.

Flexibilität Das Parlament hat durchgesetzt, dass das Budget 2016 überprüft wird. Geld, das übrig bleibt, fließt nicht mehr an die Staaten zurück, sondern wird umgeschichtet – etwa für Initiativen zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

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