EU-Defizitverfahren: Österreich kommt ohne Ermahnung davon - diesmal

European Parliament session in Strasbourg
Trotz gestiegener Schulden lässt Brüssel das Verfahren gegen Österreich einfach weiterlaufen - bis zum Frühjahr. Gegen Finnland wird ein Defizitverfahren eröffnet.

Es ist wie in der Schule. Wenn man einmal bei den schlechten Schülern in der Klasse gelandet ist, ist es am besten, wenn man vom Lehrer nicht erwähnt wird, die Nachbarn dagegen schon. Als am Dienstag in Brüssel die sogenannten "Empfehlungen zum Europäischen Semester" veröffentlicht wurden, bekamen mehr als ein Dutzend EU-Staaten schriftlich die "Meinung" der Kommission zu ihren Budgetplänen vorgelegt. Österreich kam diesmal ohne eine solche Meinung davon.  

Seit heuer ist der langjährige Musterschüler Österreich budgetmäßig bekanntlich  bei den schlechten Schülern gelandet. Wie auch gegen acht andere EU.-Mitgliedsländer- darunter etwa Frankreich und Italien – hat die EU-Kommission im Frühjahr ein Defizitverfahren gegen Österreich eröffnet. Das damals nach Brüssel gemeldete Budgetdefizit betrug 4,5 Prozent des BIP, also klar über der von der EU festgelegten Obergrenze von drei Prozent. Österreich bekam wie die anderen Budgetsünder Ratschläge aus Brüssel, die es zu befolgen hat. Die waren allerdings sehr allgemein gehalten. Die Regierung blieb also auf dem schon vorher festgelegten Kurs zur Sanierung des Budgets.

Rote Zahlen bleiben vorerst unbeachtet

Doch seit kurzem ist ja bekannt, dass sich dieser Budgetpfad nicht halten lässt. Die Defizite von Ländern  und Gemeinden sind viel höher als erwartet, das erwartete gesamtstaatliche Defizit  steigt daher voraussichtlich auf 4,9 Prozent. Das beschäftigt zwar  in Österreich alle Verantwortlichen, aber die EU-Kommission  nicht - derzeit. Vorerst gelten für Brüssel die Zahlen, die Österreich offiziell gemeldet hat. Vorerst also lässt man das Defizitverfahren einfach nach Plan weiterlaufen. 

In der offiziellen Formulierung der EU-Kommission heißt das: Das Verfahren "wird in Schwebe gehalten". Vorerst also werden keine weiteren Ermahnungen ausgesprochen, oder - noch schlimmer - sogar Maßnahmen verhängt. Erst im nächsten Frühjahr, wenn Österreich seine dann aktuellen Budgetzahlen wieder vorlegt, wird man wieder ein Urteil über Österreich Budget-Korrekturpfad abgeben. Bis dahin läuft - zumindest in  Brüssel - für Österreich alles weiter wie bisher. Die Zahlen, die aus Wien im Frühjahr gemeldet wurden - es handelt sich ja um ein Doppelbudget für 2025 und 2026 – gelten weiterhin.

Verfahren ist nicht vom Tisch

Das Defizitverfahren ist aber damit keineswegs vom Tisch. Denn für Brüssel gilt weiterhin, dass Österreich mit seinem Budget  von den EU-Vorgaben abweicht. Im nächsten Frühjahr wird man sich dann wieder genauer ansehen, ob man sich in Wien an die Vorgaben aus Brüssel hält. Fällt das Urteil dann negativ aus, zieht die EU-Kommission die Schrauben schon etwas fester an. Man reicht das Ganze an den EU-Rat der Mitgliedsländer weiter und schlägt dem vor, eine Art Frühwarnung an das  betroffene Land auszustellen.  Kommt dieses dann den Empfehlungen weiterhin nicht nach, werden Strafzahlungen fällig. Das wären im Fall Österreichs mehrere Hundert Millionen.

Allerdings ist eine solche Strafe noch nie gegen ein EU-Mitgliedsland verhängt worden, umso unwahrscheinlicher, dass das in nächster Zeit passiert. Schließlich ist auch die allgemeine Lagebeurteilung für die EU im aktuellen Bericht ausgesprochen düster. Die EU-Wirtschaft brauche "weitere Maßnahmen, um nachhaltiges Wachstum anzukurbeln - und das bei starkem Gegenwind."

Verfahren soll 2028 enden

Grund für die Eröffnung des Defizitverfahren war, dass Österreich mit seinem Budgetdefizit von 4,7 Prozent des BIP im vergangenen Jahr und den geplanten 4,5 Prozent heuer klar über der erlaubten Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung der Maastricht-Kriterien der EU liegt. Die EU-Kommission hatte Anfang Juni in ihrem Frühjahrspaket zum Europäischen Semester für Österreich ein übermäßiges Defizit festgestellt und die Empfehlung eines Verfahrens angekündigt, die vom Rat der Finanzminister im Juli abgenickt wurde. Wien hat Brüssel fristgerecht zum 15. Oktober die Maßnahmen zur Bekämpfung des Defizits gemeldet. Geplant ist, dass Österreich bis Ende 2028 aus dem Defizitverfahren herauskommt.

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