EU-Chefin prescht vor: Was von der Leyens Klimaziele bedeuten
Es waren nur wenige Minuten, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede im EU-Parlament dem Klimaschutz widmete. Die Umsetzung der Ansagen sind aber weitreichend und würden für alle Europäer in den kommenden Jahren spürbar sein, glauben die Wirtschaftswissenschafterin Sigrid Stagl von der Wiener Wirtschaftsuni und der Klima-Ökonom Stephan Schleicher vom Wegener Center der Uni Graz im Gespräch mit dem KURIER.
- Klimaneutral bis 2050
„Ein solcher Vorschlag scheiterte zuletzt beim EU-Gipfel im Juni“, sagt Schleicher. Ein Beschluss dafür werde jedenfalls eine große Herausforderung für die neue Chefin der EU-Kommission.
- 2030-Klimaziele reichen nicht
Von der Leyen legte offen, dass die aktuellen Ziele – minus 40 Prozent CO2-Emissionen bis 2030 – nicht ausreichen würden: „Es ist sehr begrüßenswert, dass die EU-Kommissionspräsidentin anerkennt, dass auch die mittelfristigen Ziele mit dem Abkommen von Paris übereinstimmen müssen. Es ist ja absurd, dass es Beschlüsse gibt, aber die bisherigen Ziele dem Beschluss nicht entsprechen, das ist verantwortungslos“, erklärt Professorin Stagl. Und Schleicher gibt zu bedenken, dass ein ähnlicher Vorschlag des amtierenden Energiekommissars Miguel Cañete von den Fachministerin keine Zustimmung bekam.
- Minus 55 % CO2 bis 2030
„Ein Modell, wie das gehen soll, gibt es noch nicht“, erklärt Stagl, „aber wenn man hier mit voller Kraft vorangeht, denke ich, dass vieles möglich sein wird.“
Schleicher fordert, dass nun sichtbar gemacht werden sollte, was von der Leyens Ziel bedeute: „Öl- und Gasheizungen für Gebäude darf es dann kaum mehr geben, Gas könnte bestenfalls als Kraft-Wärme-Kopplung bestehen bleiben. Dabei wird mit dem Gas nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugt“, erklärt der Ökonom. Ziel sei, die Emissionen um 75 Prozent zu reduzieren – bei gleich nutzbarer Energiemenge. Dazu brauche es eine sehr große Dämm-Offensive.
„Aber auch der Diesel- und Benzinverbrauch müsste halbiert und zudem überlegt werden, ab 2025 keine neuen Verbrenner-Motoren mehr zuzulassen. Auch die Kohleverstromung muss rasch beendet werden, was schwierig wird – etwa für Polen, das derzeit neue Kohlekraftwerke plant. Und die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream II muss sofort gestoppt werden.“ Nord Stream II sei für Schleicher der „Lackmustest“ der Kommissionschefin.
- Ein Preis für Kohlenstoff
„Auch bei diesem Thema wird es schwierig werden, einen Konsens der EU-28 zu finden. Der Preis müsste bei einhundert Euro pro Tonne und damit vier Mal so hoch wie derzeit sein, Benzin würde sich an der Tankstelle damit um 25 Cent pro Liter verteuern“, erklärt Schleicher, der einen CO2-Preis jedenfalls befürwortet.
Auch Stagl sieht das als rasche, effiziente und effektive Maßnahme an. „Dazu braucht man nur den politischen Willen. In Großbritannien gibt es schon länger einen Preis auf Emissionen, der dazu geführt habe, dass Kohlestrom in wenigen Jahren fast verschwunden ist, weil sich die Kraftwerke nicht mehr rechnen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das zu begrüßen. Und in Norwegen ist es inzwischen teuer, viele Kilometer mit einem Verbrenner-Motor zu fahren.“
- 1.000 Milliarden Euro bis 2030
„Einhundert Milliarden Euro jährlich bis 2030 an Investment scheint sehr viel, sind es aber bei Weitem für die angekündigten Ziele nicht. Auf Österreich heruntergebrochen, wären das nur zwei Milliarden“, sagt Schleicher.
- Green New Deal for Europe
Das sei offenbar angelehnt an die Pläne der US-Demokraten, erklärt Schleicher. Von der Leyen will in den ersten einhundert Tagen im Amt konkrete Pläne vorlegen.
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