Erstmals seit fünf Jahren: Nordkorea feuert Rakete über Japan ab

Erstmals seit fünf Jahren: Nordkorea feuert Rakete über Japan ab
4.600 Kilometer: Keine nordkoreanische Rakete flog je weiter. Zwei Sicherheitsexperten sehen unterschiedliche Gründe für den Zeitpunkt.

Ohrenbetäubende Sirenen, begleitet von einer tiefen Stimme und dem Appell, sofort Schutz zu suchen. Diese Szene spielte sich am Dienstag im Norden Japans ab, wo auch der Zugverkehr eine Zeit lang still stand.

Im japanischen Fernsehen und via Handy-Benachrichtigung wurde die Bevölkerung auf der Insel Hokkaido sowie in der Präfektur Aomori auf der Hauptinsel Honshu dazu aufgerufen, sich in Häusern und Kellern zu verstecken – zusammen mit der Information: „Nordkorea scheint eine Rakete gestartet zu haben.“

Meldungen von Raketentests aus Nordkorea sind mittlerweile eine traurige Gewohnheit. Beim jüngsten handelte es sich um den fünften innerhalb von zehn Tagen. Dass die Rakete über Japan abgefeuert wurde, überraschte jedoch. Zum letzten Mal passierte das nämlich im Jahr 2017. Zwei Experten zeigen sich im KURIER-Gespräch uneinig darüber, warum das nordkoreanische Militär diesen Zeitpunkt wählte.

Bisher schickte Nordkorea die meisten Raketen auf steiler Flugbahn in Richtung Weltraum, sodass sie nicht in den Luftraum der Nachbarstaaten eindrangen. Mit einem sogenannten Überflug über Japan, wie in der Nacht auf Dienstag, dürften nordkoreanische Militärs die Raketen unter realeren Bedingungen testen wollen.

4.600 Kilometer weit soll die ballistische Rakete geflogen sein, bevor sie in den Pazifischen Ozean stürzte – so weit, wie noch keine nordkoreanische Rakete zuvor. Südkorea reagierte darauf mit zwei Präzisionsbomben, die es im Gelben Meer abwarf.

Experten uneinig

Laut dem Sicherheitsexperten Heinz Gärtner geht es Nordkorea aber nicht um Japan selbst: „Japan ist ein Verbündeter der USA. Die Rakete hätte wahrscheinlich auch über Südkorea fliegen können.“ Vielmehr könne es sich um eine Art Drohung handeln, „nach der Art: Die USA sollen ja nicht versuchen, Japan als ein Sprungbrett nach Nordkorea zu verwenden“.

Gärtner hält die geopolitische Lage für einen Grund dafür. Nordkorea wolle sich Aufmerksamkeit zurückholen, jetzt wo alle Augen auf die Ukraine gerichtet sind. Es passiere auch nicht zufällig, dass Nordkorea am gleichen Tag die russischen Annexionen in der Ostukraine anerkenne.

Laut Rüdiger Frank von der Universität Wien könnte Nordkorea es hingegen ausnützen wollen, dass die Aufmerksamkeit gerade woanders liegt: „Nordkorea rechnet dadurch vielleicht mit weniger Konsequenzen.“ Bei der Rakete über Japan handle es sich vor allem um ein Abschreckungsmanöver und eine Art „Leistungsschau“. Nordkorea wolle damit womöglich zeigen, verteidigungsbereit zu sein.

Japan's Prime Minister Fumio Kishida speaks to the media after North Korea fired a ballistic missile over Japan, in Tokyo

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida nannte den Abschuss "barbarisch".

Neue Waffendebatten

Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida bezeichnete das Vorgehen Nordkoreas als „barbarisch“ und kündigte eine genaue Untersuchung des Vorfalls an. Sanktionen und weitere mögliche Schritte gegen Nordkorea wolle man mit den Verbündeten besprechen, sagte Regierungssprecher Hirokazu Matsuno am Dienstag in einer kurzen Pressekonferenz.

Experte Heinz Gärtner vermutet, dass es nun zu verstärkten Aufrüstungsdebatten in Südkorea und Japan kommen könnte.

Kommentare