Seit 2005 muss in Estland niemand mehr in ein Wahllokal gehen, um seine Stimme abzugeben; ein Besuch auf einer Regierungs-Webseite reicht. Inzwischen hat sich das Verfahren durchgesetzt: Bei der Parlamentswahl im März gaben mehr als die Hälfte aller Wählerinnen und Wähler ihre Stimme online ab.
Dazu ist seit 2017 einzig die sogenannte Smart-ID notwendig, mit der sich Bürger der baltischen Staaten digital ausweisen können. Um sie zu erhalten, ist nur ein einmaliger Besuch auf einer Behörde notwendig, ähnlich wie bei der Handy-Signatur in Österreich, die künftig von der ID Austria abgelöst wird.
➤ Mehr lesen: Aus für die Handy-Signatur kommt im Dezember
Weil der Großteil der Esten zur Online-Wahl aber ohnehin das eigene Smartphone nutzt, soll der Vorgang über eine eigene Wahl-App der Regierung weiter erleichtert werden, erklärte Tiit Riisalo, Minister für Wirtschaft, Digitalisierung und "Entrepreneurship", gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa).
Die staatliche Digitalisierungsbehörde habe gemeinsam mit dem estnischen Unternehmen Cybernetica eine Test-App entwickelt, so Riisalo: "Dieser Prototyp wurde für das Wählen, Übermitteln und Empfangen von Stimmen getestet und funktioniert sowohl auf Android- als auch auf Apple-Smartphones. Somit haben wir die technische Grundlage in Form eines Prototyps."
Risiko, Wählerdaten über den App-Store zu verarbeiten? "Jede Bank hat eine solche App"
Einzig die Frage nach der Datensicherheit beschäftigt seither die estnische Öffentlichkeit. Bei Abstimmungen über die Regierungs-Webseite bleiben die Daten der Wählerinnen und Wähler nämlich direkt bei der Regierung - bei Stimmabgaben über eine künftige App wäre aber auch der jeweilige Anbieter (Apples App-Store oder Googles Play-Store) involviert.
Arne Koitmäe, Leiter der Wahlbehörde in Estland, beschwichtigt: "Das einzige Risiko besteht darin, dass der Wähler überprüfen muss, ob die heruntergeladene App auch wirklich die ist, die von der Regierung bereitgestellt wird." Vertreter des Apple-Konzerns hätten bei einem Treffen mit estnischen Beamten in London bereits besonderen Schutz vor falschen Apps von Drittanbietern zugesichert: "Wir haben diese Angelegenheit besprochen."
Digitalisierungsminister Riisalo sieht grundsätzlich kein Problem damit, für eine solche App mit großen Anbietern wie Apple oder Google zusammenzuarbeiten: "Alle Arten von vertrauenswürdigen Diensten werden heutzutage über diese App-Stores bereitgestellt. Jede ernsthafte Bank hat eine App, über die Sie Zehntausende oder Hunderttausende von Euro übertragen können. Von daher sind diese Systeme vertrauenswürdig."
Kommentare