Ende für Saakaschwili: Georgien erfindet sich neu

Saakaschwili in Führerpose – der demokratische Revolutionär gab sich zuletzt zunehmend autoritär.
Der gefallene Held der Rosenrevolution 2003 darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Für den kleinen Kaukasusstaat Georgien ist es alles in einem: Das Ende einer Ära, ein Umsturz und ein Neuanfang. Kommenden Sonntag finden Präsidentenwahlen statt. Jener Mann, um den sich im politischen Leben des Landes in den vergangenen Jahren alles gedreht hat, wird nicht mehr antreten: Michail Saakaschwili. Und auch sein Wunschnachfolger wird das Rennen nicht machen.

Es ist aber auch das Ende von Premier Bidsina Iwanischwili. Der Milliardär, der mit seiner Koalition „Georgischer Traum“ 2012 die Parlamentswahlen gewonnen hatte und seither Premierminister ist, sieht mit der Wahl eines neuen Präsidenten seine Mission erfüllt – die Mission, Saakaschwilis politischem Treiben ein Ende zu setzen.

Iwanischwili hat seinen völligen Rückzug aus dem politischen Leben nach der Wahl angekündigt. Einen Nachfolger will er noch benennen. Wen, hat Iwanischwili noch nicht verraten. Daran, dass sein Kandidat für das Präsidentenamt, Georgi Margwelaschwili, die Wahl gewinnen wird, besteht aber kaum Zweifel – Umfragen geben ihm über 50 Prozent, womit er im ersten Wahlgang siegen könnte.

Verfassungsänderungen

Neuer Präsident, neuer Premier und – dem nicht genug – neue Verfassung: Ein ganzes Bündel von Verfassungsänderungen wird mit der Inauguration des Wahlsiegers in Kraft treten. Georgien wird damit zur parlamentarischen Republik. Der Präsident, der kommenden Sonntag gewählt werden wird, wird also nur zeremonielle Funktionen haben. Ironie an der Sache: Initiiert hatte das neue Grundgesetz Saakaschwili. Kritiker sagen, weil er nach zwei Perioden als Präsident Premier werden wollte – woraus nach der Wahlniederlage seiner Partei 2012 nichts wurde.

Es ist also, als würde das politische Leben Georgiens neu hochgefahren. Ein Umstand, der aber quer durch alle politischen Lager nicht auf ausschließlich positive Resonanz stößt. Vor allem der komplette Austausch der politischen Elite würde Risiken bergen, meinen viele. Machtkämpfe und Chaos werden befürchtet. Und auch der Bestand der Regierungskoalition nach dem Abgang des Premiers steht in Frage. Iwanischwili selbst gab sich in einem APA-Interview aber überzeugt, dass der „Georgische Traum“ bestehen wird.

Koalitionszwist

Innerhalb der Koalition aus der größten Partei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“ und fünf Kleinparteien gärt es aber gewaltig. Ein Vertreter der Industriepartei äußerte gegenüber dem KURIER Pläne, die Koalition gleich nach den Wahlen platzen zu lassen und Neuwahlen auszurufen, um die Machtverhältnisse neu zu ordnen. Kritik erregt vor allem der West-Kurs der derzeitigen Regierung mit den Zielen einer Annäherung an NATO und EU. Nicht alle Fraktionen teilen dieses Ziel.

Dennoch: Beim EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft Ende November in Vilnius ist der Abschluss eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der EU geplant. Ein Meilenstein, den Saakaschwili eingeleitet hatte – auch, wenn er sich in den späteren Jahren seiner Amtszeit vor allem durch Machtrausch, den Krieg mit Russland (2008) und zweifelhaftes Vorgehen gegen die Opposition hervorgetan hatte. Unterzeichnen wird das Abkommen wohl sein Nachfolger.

Georgien hatte nach zehn Jahren Saakaschwili europaweit die höchste Zahl an Gefängnisinsassen pro Kopf. In der Justiz gibt es nach wie vor grobe Mängel. Dem scheidenden Präsidenten hat Iwanischwili versprochen, ihn in Ruhe zu lassen. Gerüchten zufolge will Saakaschwili ohnehin in die USA gehen.

Kommentare