Der Systemsprenger: Was Elon Musk antreibt

Tech-Milliardär Elon Musk bei einer Wahlkampfveranstaltung für Donald Trump - vor knapp zwei Wochen
Elon Musk, der seltsame Eigenbrötler aus dem Silicon Valley, hat mit Tesla den globalen Automarkt umgekrempelt, mit Paypal die Bezahlindustrie revolutioniert, und lässt die Menschheit mit Space-X vom Leben am Mars träumen. Der Nutzen seines neuesten Projekts ist jedoch höchst umstritten: Der reichste Mann der Welt macht Politik.
Zuerst verhalf er Donald Trump mit 250 Millionen Dollar und unbezahlten Reichweitenboosts wieder ins Amt, jetzt will er AfD-Chefin Alice Weidel zur deutschen Kanzlerin machen. Dazwischen versprach er dem Briten-Rechtsaußen Nigel Farage 100 Millionen Dollar für den Wahlkampf, nur um ihn dann für einen verurteilten Rechtsextremisten fallen zu lassen (siehe unten).
Was will Musk damit? Steckt dahinter handfeste rechte Ideologie, oder ist es nur die Freude an der Irritation, am Troll-Spielen, am Abrissbirnen-Sein?
Die Welt verändern
Dass Musk nur spielen will, und das ohne Plan, ist kaum wahrscheinlich. Er wurde im Silicon Valley sozialisiert, und das ist bekanntlich kein Ort der Bescheidenheit. Von dort aus hat eine Handvoll Nerds in den vergangenen 30 Jahren unsere Welt revolutioniert; wie wir kommunizieren, interagieren, uns fortbewegen. Da scheint nur wenig logischer, als das System aufzubrechen, das den Tech-Konzernen die Regeln vorschreibt – die Politik.
Freilich, „Big Money“ hat die Politik schon immer beeinflusst. Konzerne sponsern US-Präsidentschaftskandidaten, viele traditionelle Medien sind in der Hand großer Firmen. Amazon-Chef Jeff Bezos hält sich die Washington Post auch nicht nur aus Liebhaberei, und dass Fox-Gründer Rupert Murdoch schon immer eine politische Agenda verfolgt hat, ist auch nichts Neues. Nur ist die Art, wie Musk sich in die Politik einmischt, völlig neu: Niemand hat das bisher so laut, so ungeniert und so boshaft gemacht wie er. Musk gibt den Internet-Troll, der sich normalerweise anonym geifert und den man guten Gewissens ignorieren kann. Nur fällt das beim reichsten Mann der Welt mit 212 Millionen Followern auf seinem eigenen Netzwerk etwas schwerer.
Dieser Mann ließ eine 121 Meter lange Rakete wieder sicher in der Abschussrampe landen. Er lebt vom Mythos seiner eigenen Genialität wie kein Milliardär vor ihm. Auch wenn er in Interviews stottert, sich verhaspelt oder schlicht Blödsinn redet: Musk ist kein Troll, er ist ein globaler Popstar, der gerade wegen seiner Kauzigkeit sympathisch wirkte. Welcher Unternehmer kann sich bei Trump auf der Bühne stellen und ungeniert seinen Bauch in die Menge strecken? Musk ist so sonderbar wie unberechenbar – und damit der mächtigste Influencer der Welt.
Ein Polit-Opportunist
Ob Musk Trumps Ideale aber auch teilt, weiß keiner genau. Es gab Zeiten, da unterstützte der Südafrikaner die Demokraten, während Corona wandte er sich den Radikalen unter den Republikanern zu. Befeuert hat das die Corona-Schließung seiner Fabrik in Kalifornien; ebenso wie die Transgender-Wandlung eines seiner Kinder. Dafür seien „Woke-Apologeten“ verantwortlich, „mein Sohn Xavier ist tot“, sagte er kürzlich. Musk ist Pronatalist, sieht es als Pflicht von Frauen an, Kinder zu bekommen. Er selbst hat elf davon, mit vielen liegt er im Streit.
Viele Beobachter unterstellen ihm daher Opportunismus. Denn sein Spiel zahlt sich aus: Sein Vermögen hat sich 2024 fast verdoppelt, das Gros des Zuwachses verzeichnete er seit dem 6. November – dem Tag, an dem Trump wiedergewählt wurde, dank seiner Hilfe. Sein Unternehmen Space X stieg danach zum wertvollsten Start Up der Welt auf, auch wegen winkender Regierungsaufträge.
Giorgia Meloni, Italiens Premierministerin: Die beiden bewundern einander, es gibt Bilder, auf denen sie sogar turtelnd wirken. Politisch unterstützt der Tech-Milliardär Italiens Premierministerin schon länger: Im Herbst stellte er jene Richter an den X-Pranger, die Italiens umstrittene Asyllager in Albanien unterbinden wollten. Dass Musk Italiens Militär-Kommunikation via Starlink übernehmen könnte, fiel Meloni aber auf den Kopf – der Aufschrei über Musks Einmischung in nationale Belange war groß.
Alice Weidel, Chefin der AfD: Schon vor einigen Wochen rief Musk auf X die Deutschen dazu auf, im Februar AfD zu wählen – die Partei sei die einzige, die das Land retten könne. Das sagte er am Donnerstag nochmals, als er Parteichefin Alice Weidel auf X interviewte. Die durfte dort historisch Bizarres unwidersprochen sagen („Hitler war Kommunist“), auf Differenzen ging man nicht ein – die AfD protestiert seit Jahren gegen die Tesla-Fabrik in Brandenburg, und E-Autos hält man für Teufelswerk.
Nigel Farage, Brexiteer und Reform-UK-Chef: Vor Kurzem waren Musk und Farage noch Buddys, posierten für Fotos in Trumps Anwesen in Mar-a-Lago. Da versprach der Milliardär, den nächsten Wahlkampf Farages mit 100 Millionen Dollar zu stützen, fast so viel, wie 2023 alle Parteien gemeinsam erhielten. Jetzt will Musk Farage nicht mehr als Parteichef sehen – sie zerstritten sich über Tommy Robinson, einen verurteilten Rechtsextremen, den Musk in Freiheit sehen wollte.
Andrew Tate, britischer Skandal-Influencer: Tate ist „Manfluencer“, also Social-Media-Anti-Feminist, und sitzt als mutmaßlicher Vergewaltiger und Menschenhändler in Hausarrest. Dennoch will er mit seiner Partei „Bruv“ (ein Slangwort für Bruder) britischer Premier werden – und hat dafür Musk hinter sich. In Tates Vision von Großbritannien sollen Kriminelle dauerhaft per Livestream überwacht werden, und die BBC solle nicht mehr selbst recherchieren, sondern alle Inhalte von X übernehmen.
Fakten – wofür?
Darum pusht er nun alle, die jene Barrieren abbauen wollen, die ihm im Weg sind; Bürokratie, Justiz, mediale Regulierung. Davon profitieren beide Seiten. Alle Rechtspopulisten von der AfD abwärts wittern hinter jedweder Vorschrift Zensur; geht die EU also gegen Musk und X juristisch vor, nutzt das wiederum nur den Populisten.
Dass Musks Meinungsfreiheit eine – vor allem von ihm – gelenkte ist, bleibt dabei unhinterfragt. AfD-Chefin Weidel konnte deshalb auf X im Gespräch mit Musk auch leicht behaupten, Hitler wäre Kommunist gewesen – eine alte Rechtfertigung der Rechtsextremen. Musk, der die AfD ja als „Rettung Deutschlands“ empfiehlt, sagte dazu nur „ja, ja, ja“; eines von vielen Beispielen, wo er mit Uninformiertheit glänzte.
Das eigene Unwissen ist bei Musk aber nicht problematisch, vielmehr scheint sie zum Spiel zu gehören. Wenn der Mann, der so viel auf der Welt verändert hat, Alternativen zu Fakten aufzeigt, untergräbt dies das Vertrauen in herrschende Systeme. Dasselbe Spiel spielt auch Wladimir Putin seit Jahren mit seinen Desinformationskampagnen – da wundert es wenig, dass die auf X besonders viel Verbreitung finden.
Hilfloses Europa
Ob Musk das im Sinne hatte, als er Twitter 2022 kaufte, sei dahingestellt. Möglich ist es, sieht man sich an, wie er es umgebaut hat: Für seine Version der „Meinungsfreiheit“ wurde Moderation praktisch abgeschafft; das vertrieb viele, die keine rechtsextremen und gewalttätigen Inhalte sehen wollten. Auch den Algorithmus ließ Musk umbauen, sodass ihm genehme Inhalte – und seine eigenen – den Usern in die Timeline gespült werden. Dass er Olaf Scholz einen „Trottel“ nannte, bekam wohl jeder X-Nutzer zu lesen.
Der Camebridge-Anlytica-Skandal von 2016 erscheint im Vergleich dazu lächerlich. Als die britische Firma auf Facebook politische Werbung maßgeschneidert für jeden Nutzer ausspielte und Trump mit ins Amt half, war der Aufschrei groß. Jetzt rührt Musk jedem Nutzer seine Meinung in die Timeline, und es juckt kaum jemanden mehr.
Europas Politik wirkt dabei nur wie ein hilfloser Zuseher. Die SPD sprach höflich von einer „Belastung für das transatlantische Verhältnis“, nachdem Musk den deutschen Präsidenten Steinmeier öffentlich einen „Tyrannen“ nannte. Musk macht auf medialer Ebene, was Trump seit Jahren in der Politik tut: Er pfeift einfach auf das, was sich jahrelang gehörte.
Der einzige, der ihn davon abhalten kann, ist ausgerechnet Trump. Der wird das aber nicht aus demokratiepolitischen Bedenken, tun, sondern aus Eifersucht: Erst kürzlich meinte Trump im kleinen Kreis, „Schattenpräsident“ Musk sei viel zu präsent. Immerhin.
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