Ein dicker Fisch namens Firtash

Dmytro Firtash wurde am Freitag in Wien gegen Kaution freigelassen.
Der in Österreich verhaftete Unternehmer ist eine der mysteriösesten Gestalten der ukrainischen Wirtschaft – um seine Kontakte spannen sich wilde Gerüchte.

Fragt man politisch interessierte Ukrainer, was ihnen zum Namen Dmitry Firtasch spontan einfällt, kommt folgendes: Gas, Milliarden, Mafia. Und seit einer Woche auch: Wien. Denn da wurde der Unternehmer, der unter den Top Ten der reichsten Ukrainer rangiert, auf Basis eines FBI-Haftbefehls festgenommen. Eine Aktion, die viele Ukrainer als Schuss vor den russischen Bug versehen.

Der österreichische Grün-Politiker Peter Pilz nennt sie "importierten Mut" – auch wenn zunächst gut reagiert worden sei: Festnahme auf Basis eines internationalen Haftbefehls, Kaution, die Hinterlegung derselben, eine Schwarzgeldmeldung und die darauf folgende Prüfung der Kaution. Dass zuletzt jedoch eine Freilassung mitsamt Aushändigung des Passes entschieden wurde, sei schlicht unverständlich.

"Unter Janukowitsch wurde Firtasch zu einem der Top-Leute." Sergij Leshchenko, Journalist

Firtasch ist vielleicht nicht der Top-Oligarch der Ukraine schlechthin, aber doch einer, mit Signalwirkung an eine ganze Reihe von Businessleuten in der Ukraine wie in Russland. "Ein Verfahren gegen ihn wäre für viele Leute gefährlich", so der Investigativjournalist Sergij Leshchenko von der Ukrainska Pravda. Viele Leute hätten jetzt durchaus berechtigt Angst. "Das FBI wird ihm Fragen stellen wegen Mogilewitsch, wegen der Rotenbergs, Lowotschkin, Janukowitsch und vielen anderen", so Leshchenko – all das freilich nur, sollte Firtasch an die USA ausgeliefert werden. Das einzige, was Firtasch dann noch tun könne, sei, sich mit den US-Behörden zu arrangieren.

In den Jahren seiner Tätigkeit hat sich Firtasch vor allem als Meister der Allianzen hervorgetan, der Verbindungen knüpft, wie sie opportun sind. Es waren gewinnbringende Allianzen. Galt Firtasch vor der Präsidentschaft Janukowitschs als undurchsichtiger Gas- und Chemie-Unternehmer, mit immer wieder vermuteten Verbindungen zum russischen Top-Mafioso Semjon Mogilewitsch, aber ohne klare politische Netzwerke, so machte er unter dem gestürzten Ex-Präsidenten der Ukraine beste Geschäfte. "Unter Janukowitsch wurde Firtasch zu einem der Top-Leute, davor war er nicht gerade einer, der auch politischen Einfluss ausüben konnte", so Leshchenko. Zuletzt hätten 20 Abgeordnete der Partei der Regionen zu Firtaschs Portfolio gezählt.

Zu Firtaschs Partnern zählten die russischen Rotenberg-Brüder, mit bestem Draht zu Kremlchef Putin, sowie Sergij Lowotschkin, zuletzt in Ungnade gefallener Chef von Janukowitschs Präsidialverwaltung. Praktisch die gesamte ukrainische Düngermittelindustrie ist Firtaschs Eigentum, ebenso große Anteile hat er am Gas-Markt. Unter Janukowitsch machte er sich auch in der machtstrategisch wichtigen Medienbranche breit. Und all das, obwohl Firtasch erst 2003 groß ins Gas-Geschäft eingestiegen war.

"Firtasch ist ein Meister der Straße", sagt Leshchenko. Einer, der sich durch geschicktes Schmieren emporgearbeitet habe – und so ein globales Firmennetz aufgebaut hat: In Wien besitzt er die DF Real Estate Gruppe sowie die Centragas Holding.

"Schwer zu sagen ist", so Pilz, "wer in solchen Geflechten tatsächlich Eigentümer und wer Strohmann ist". Firtasch war Letzteres immer wieder nachgesagt worden. Und als Hintermann fiel immer wieder eben ein Name: Mogilewitsch. Beide hatten wiederholt denselben Anwalt.

Ein Journalist der ukrainischen Zeitung Tyzhden, der nicht namentlich genannt werden will, ist überzeugt, dass Firtaschs Kontakte direkt in Putins Vorzimmer und in die höchsten Kreise der russischen Unterwelt reichen. Er spricht von einer Strategie des Kreml, halbseidene Unternehmer reich, mächtig und damit abhängig zu machen, um Nachbarländer wie die Ukraine jederzeit destabilisieren zu können. Firtasch nennt er ein "Instrument" des Kreml. Dass er verhaftet wurde, ordnet der Journalist einem Umstand zu: "Seit Jahren jagen die USA Mogilewitsch, mit Firtasch haben sie seinen wichtigsten Mann." Firtasch sei ein "Dieb im Gesetz" – so die Bezeichnung für Leute, die dem Kodex der russischen Unterwelt unterliegen.

Am Abend des 12. März wurde Dmitry Firtasch auf Basis eines US-Haftbefehls wegen des Verdachts der Bestechung und Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung in Wien-Wieden verhaftet. Zwei Tage danach verhängte das Landesgericht Wien die Auslieferungshaft. Der von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer vertretene Milliardär legte dagegen Beschwerde ein.

Mit Verhängung der Auslieferungshaft wurde am 14. März vom zuständigen Richter Christoph Bauer eine Kaution in Höhe von 125 Millionen Euro festgesetzt. Gegen Erlag dieser Summe und das Gelöbnis, Österreich bis zur Beendigung des Auslieferungsverfahrens nicht zu verlassen und für die Behörden erreichbar zu bleiben, wurde Firtasch am Freitag aus dem Gefängnis entlassen.

Nach der von Julius Meinl V. im April 2009 gezahlten Kaution von 100 Millionen Euro ist die von Firtasch geforderte Summe neuer Rekord. Am 19. März wurde der Betrag auf das Konto der Verwahrungsstelle des Oberlandesgerichts Wien überwiesen. Eine Prüfung der Gelder durch das Bundeskriminalamt über ihre Herkunft verlief positiv.

Vom Gefängnis aus verfasste der Oligarch eine Aussendung, in der er seine Verhaftung als politisch motiviert und als Gefahr für viele Arbeitsplätze in der Ukraine darstellt.

Der Name des Multimilliardärs Dmitry Firtasch ist zwar weder auf der Sanktionsliste der USA noch auf jener der EU zu finden, dennoch saß der Ukrainer mehr als zehn Tage in Österreich in Auslieferungshaft. Damit erfüllt der 49-jährige Oligarch wohl unbeabsichtigt einen Zweck: Seine, von den USA durchgesetzte Verhaftung soll allen russischen und ukrainischen Oligarchen zwischen den Cayman-Islands und Moskau signalisieren, dass Washington es dieses Mal bitter ernst meint. Einreiseverbote wurden verhängt, Konten gesperrt, Vermögen eingefroren.

Auf den Sanktionslisten der USA und der Europäischen Union gegen Russland und das alte Regime der Ukraine stehen unter anderen: Sergej Mironow, Fraktionsvorsitzender der Kreml-nahen Partei Gerechtes Russland (EU/USA); Sergej Naryschkin, Vorsitzender der Duma (USA); Sergej Iwanow, Chef der Präsidialverwaltung (USA); Wladimir Jakunin, Chef der russischen Eisenbahn (USA); Gennadi Timtschenko, Öl-Tycoon (USA); Arkady und Boris Rotenberg, Unternehmer mit engem Draht zu Putin (USA); Andrej Klischas, Angehöriger des Föderationsrates (EU/USA); Juri Kowaltschuk, Chef der Rossija Bank (USA); Sergej Aksjonow, Moskau-treuer Regierungschef der Krim. Betroffen sind zahlreiche weitere Politiker und Unternehmer.

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