Ecuador: Der Aufstand der armen Indios

Ecuador: Der Aufstand der armen Indios
Rekord-Spritpreise und der neoliberale Umbau des Staates haben im Andenstaat eine Revolution ausgelöst

Das sozialistische Venezuela und sein Staatschef Nicolas Maduro seien die Drahtzieher dieses Aufstandes: Mit einer Fernsehansprache voll von Verschwörungstheorien hat sich Ecuadors Präsident Lenin Moreno fürs Erste aus seiner Hauptstadt Quito in Richtung der Pazifikstadt Guayaquil verabschiedet. Seine Regierung muss das Feld räumen, zu groß sind inzwischen die Proteste – und ein neuer Ansturm auf Quito rollte am Dienstag an. In den Vorstädten brannten bereits gepanzerte Polizeifahrzeuge.

In der Vorwoche hatte Moreno die harten Sparmaßnahmen verkündet, um neue Kredite des IWF zu bekommen. Seither wächst der Widerstand. Stein des Anstoßes war die Streichung der Subventionen für Treibstoff. Die Folge, eine schmerzliche Steigerung der Lebenshaltungskosten für weite Bevölkerungsschichten.

Ecuador: Der Aufstand der armen Indios

Umbau des Staates

Die Massenproteste richten sich gegen den neoliberalen Umbau des ecuadorianischen Staates seit Morenos Amtsantritt 2017: Schuldenerlass und Steuererleichterungen für Reiche, zerstörerische Ausweitung des Rohstoffabbaus, Sparen im öffentlichen Dienst und bei Sozialleistungen. In Quito kam es bereits am zweiten Tag nach Morenos Ankündigungen zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen tausenden Demonstranten und hochgerüsteten Polizeikräften.

Der 29-jährige Jusstudent Luis Tipantuña verlor sein linkes Auge, nachdem ihn eine Tränengaskartusche im Gesicht getroffen hatte. Der Präsident rief umgehend den Ausnahmezustand aus und antwortete mit harter Hand. Innerhalb von zwei Tagen wurden allein in Quito knapp 200 Demonstranten festgenommen und teilweise schwer misshandelt.

Der robuste Einsatz der Sicherheitskräfte gegen weitgehend friedliche Demonstrationen stellte über das Wochenende eine gewisse Ruhe in der Hauptstadt her – die Ruhe vor dem Sturm.

Rebellen im Hochland

Gleichzeitig verschärften sich die Proteste im Andenhochland und im Amazonasgebiet, getragen von den dort ansässigen indigenen Völkern. Ihre Protestformen sind vielfältig und effektiv. Durch unzählige Straßenblockaden wurde der Verkehr im Großteil des Landes lahmgelegt. Inzwischen klagen einige Supermärkte über Versorgungsengpässe – viele Regale bleiben leer, selbst in der Hauptstadt Quito. In Ambato haben indigene Aktivisten Fernseh- und Radiosender besetzt. Am Montag wurden drei Ölquellen im Amazonasgebiet und der Regierungssitz der Andenprovinz Bolívar eingenommen.

All das passiert inmitten eines gigantischen Marsches, der die indigene Bewegung aus allen Ecken des Landes nach Quito führt. Im Kampf gegen den indigenen Aufstand töteten Polizei- und Militärkräfte schon mehrere Menschen. Genaue Zahlen sind aufgrund der Unterdrückung alternativer Medien schwer zugänglich.

Die Indigenen reagieren auf ihre Art und Weise: Über 50 Soldaten und Polizisten wurden festgesetzt, entwaffnet und der indigenen Justiz unterzogen – ohne bleibende körperliche Schäden.

Chaos in Quito

Begleitet von jubelnden Demonstranten und Chaos in weiten Teilen der Stadt sind die ersten Indios in Quito eingetroffen. Viele Soldaten ließen sie widerstandslos passieren. Im Zentrum kam es dann zu harten Auseinandersetzungen. Moreno wäre nicht der erste Präsident Ecuadors, den die Indios aus dem Amt jagen. Auch drei seiner Vorgänger wurden neoliberale Reformen und der indigene Widerstand zum Verhängnis.Pablo Acosta Schnellmann

Pablo Acosta Schnellmann, Quito

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