eCall: Eigenes Auto ruft künftig bei Unfall um Hilfe

eCall: Eigenes Auto ruft künftig bei Unfall um Hilfe
Ein Auto, das nach einem Unfall selbst einen Notruf absetzt - diese Technik soll bis Oktober 2015 verpflichtend in allen Automodellen in der EU eingebaut werden.

Das EU-Parlament hat am Mittwoch dem Notrufsystem eCall mit breiter Mehrheit (485 Stimmen dafür, 151 dagegen) zugestimmt, heißt es in einer Aussendung. Ab Oktober 2015 soll jedes neue Auto in Europa mit einem automatischen Notruf ausgerüstet werden. Das eCall-System soll automatisch die Rettung verständigen, wenn sich in einem Pkw der Airbag aufbläst.

Wie das System funktioniert

Das eCall-System funktioniert folgendermaßen: Ein Unfall wird durch eingebaute Sensoren und Sicherheitstechniken wie den Airbag im Fahrzeug registriert und es wird in Folge ein automatischer Notruf an die Notrufleitstelle gesendet. Das System besteht dabei aus einer Box mit einer Mobilfunkeinheit, einem GPS-Empfänger und einem Antennenanschluss.

Bläst sich der Airbag beim Crash auf, sendet das System den Unfallzeitpunkt, den Standort, die Fahrtrichtung, den Fahrzeugtyp, den Treibstofftyp sowie die Zahl der benutzten Sicherheitsgurte an eine Zentrale und baut eine Sprechverbindung zur Notrufnummer 112 auf. Auch manuell kann mit eCall per Knopfdruck Hilfe geholt werden.

Lebensretter

Dadurch sollen laut Angaben der EU-Kommission mindestens zehn Prozent der Unfalltoten verhindert werden. Insgesamt 28.000 Personen sind 2012 in der EU bei Verkehrsunfällen zu Tode gekommen. In Österreich gab es im gleichen Zeitraum über 40.000 Unfälle mit Personenschäden. Dabei kam es zu 531 Todesfällen.

„Es gibt weder technische noch rechtliche Gründe, hier weiter zu zögern. Wir wollen, dass die Technik, die Leben retten kann, in Neuwagen verpflichtend eingebaut wird. Jetzt muss ein einheitlicher Standard festgelegt werden“, so der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, und der Verkehrssprecher der ÖVP, Hubert Pirker, in Straßburg.

Die grüne Europa-Mandatarin Eva Lichtenberger sieht das freilich anders. Aus ihrer Sicht sei das System „technisch unausgegoren“ und würde viele Probleme mit sich bringen. „Es kommt zu sehr vielen Fehlalarmen. Dann fährt die Rettung hin und in Wirklichkeit ist nichts passiert.“ Darüber hinaus gebe es derzeit viele unterschiedliche Systeme, die nicht wirklich kompatibel seien. In den meisten Staaten existiere keine zentralisierte Stelle, wo der 112-er Ruf eingehen könne.

Für den SPÖ-EU-Abgeordneten Josef Weidenholzer ist bei der Entscheidung wichtig gewesen, dass die durch eCall gesammelten Daten, beispielsweise über den Aufenthaltsort, nur für Notfälle gebraucht werden dürfen und die Daten geschützt werden.

Datenschutzbedenken

Jan Philipp Albrecht, Datenschutzexperte der deutschen Grünen im EU-Parlament, findet beim eCall-System die ständige Ermittlung des Aufenthaltsorts für fragwürdig: "Das ist ein Einfallstor für die Bildung von Bewegungsprofilen", sagt er dem „Spiegel“. Eine manuelle Deaktivierung des eCalls ist im System nämlich nicht vorgesehen. Außerdem befürchtet Albrecht, dass Hacker auf das System zugreifen und Daten abfischen könnten. Von Datenschutzexperten wurde daher gefordert, dass das System nur freiwillig zum Einsatz kommen und der eCall auf Wunsch auch deaktiviert werden sollte. Für entsprechende Änderungsanträge, die in diese Richtung gingen, fand sich im EU-Parlament jedoch keine Mehrheit.

Auch der deutsche Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach Bedenken geäußert. So könne über den M2M-Chip und/oder das GPS-Signal etwa das Fahrverhalten analysiert werden oder personalisierte Werbung angeboten werden (wie: "Biegen Sie links ab, um zum Restaurant X zu kommen").

Telematik-Versicherungstarife

Ein weiteres Szenario: Es könnte Versicherungstarife geben, die nach Fahrverhalten berechnet werden. In Österreich gibt es mit der „SafeLine“ von Uniqa bereits einen „Pay as you drive“-Tarif. Es werden dabei allerdings nur die gefahrenen Kilometer aufgezeichnet, nicht das Fahrverhalten oder Einzelfahrten der Kunden. „SafeLine“-Kunden der Uniqa, die eine geringe Jahreskilometerleistung zurücklegen, kommt ein Bonus zugute: Der SafeLiner zeichnet die gefahrenen Kilometer pro Region auf und belohnt Wenigfahrer.

Auf futurezone.at-Anfrage gab die Versicherungsanstalt Uniqa an, keinen Tarif zu planen, bei dem Autofahrer, wenn sie weniger risikoreich fahren, belohnt werden (oder Autofahrer, die sehr risikoreich fahren, bestraft werden). Allerdings plant die Versicherung sehr wohl Tarifadaptionen aufgrund von „zur Verfügung stehenden Telematikdaten“ – „in der Zukunft“. Der eCall wird nämlich nicht die einzige Entwicklung im Telematik-Bereich sein, die von der EU-Kommission vorangetrieben wird, denn die Zukunft gehört der Vernetzung von Autos.

Zwei europäische Normenorganisationen, die ETSI und die CEN, bestätigten im Februar die Fertigstellung einer Reihe europäischer Normen, welche die EU-Kommission in Auftrag gegeben hatte, die die Vernetzung von Autos betreffen. Möglich werden sollen dadurch etwa Warnungen vor Unfällen, die auf der gerade befahrenen Strecke passieren.

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