Dramatische Lage an der Grenze zur Türkei
Was sich dieser Tage genau hinter den Grenzzäunen der südtürkischen Stadt Kilis abspielt, ist ein Mysterium. Am Mittwoch wurden offenbar Beton-Barrieren aufgebaut um den Grenzposten südlich der Stadt. Augenzeugen berichteten von regem Verkehr über die Grenze: Lkw, Rettungswagen, ab und zu ein Auto der UNO. 40.000 Menschen sollen sich auf der syrischen Seite der Grenze bereits aufhalten. Zehntausende sind noch auf dem Weg. Sie fliehen vor der Offensive der syrischen Armee, die in Allianz mit der libanesischen Hisbollah, iranischen Einheiten und mit massiver Unterstützung der russischen Luftwaffe in der Region Aleppo laufend an Boden gewinnt. Die Zivilisten wollen weg von den Kämpfen. Zunächst einmal in die nahe Türkei.
Die aber hält die Grenze seit Beginn der Offensive vor mehr als einer Woche geschlossen. Nur Verletzte werden durchgelassen. Man wolle die Flüchtlinge auf syrischem Gebiet versorgen, so heißt es seitens türkischer Behörden. Der Ruf der EU, die Grenze zu öffnen, verhallt zunächst ungehört. Zugleich geben türkische Stellen zu verstehen, man habe die humanitäre Lage auf der syrischen Seite der Grenze unter Kontrolle. Derzeit könnten die Menschen versorgt werden.
Krankheiten
Flüchtlinge in der Türkei, die mit Angehörigen auf der syrischen Seite der Grenze in Telefonkontakt sind, berichten Anderes. Es mangle an Wasser, Nahrung und Zelten. "Ärzte Ohne Grenzen" berichtet von völlig überfüllten Lagern, in denen sich bereits Durchfallerkrankungen verbreiten würden.
Ziel der syrischen Offensive ist die zwischen Rebellen und Armee geteilte Stadt Aleppo, mit gegenwärtig rund 1,3 Mio. Einwohnern – das Umland, in den vergangenen Jahren Zufluchtsort für viele intern Vertriebene (IDPs), nicht mit eingerechnet. Derzeit toben die schwersten Kämpfe 30 km nördlich von Aleppo. Die Lage in der Stadt ist einigermaßen ruhig. Ihre Einnahme durch die Armee wäre ein unter Umständen kriegsentscheidenden Sieg.
Entsprechend verbissen wird gekämpft. Lokale Rebellenkommandanten berichten von bisher beispiellosen Bombardements. Mindestens 500 Menschen sollen seit Beginn der Offensive gestorben sein, so die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die schwersten Verluste hätte dabei die mit El Kaida verbündete Al-Nusra-Front erlitten.
Dass sich die Regierungsallianz jetzt – da sie militärisch erstmals seit Langem Boden gewinnt – zu einem Waffenstillstand überreden lässt, scheint praktisch ausgeschlossen. Dahingehendes hatte eine Beraterin von Präsident Bashar al-Assad gegenüber Reuters auch ausgeschlossen. Vorschläge für eine Waffenruhe kämen von Staaten, die die Aufständischen unterstützten. Moskau wiederum wies den Vorwurf kategorisch zurück, mit den gegenwärtigen Bombardements den Flüchtlingsstrom nach Europa anzufeuern. Das Gegenteil sei der Fall.
Entsprechend trist sind die Aussichten auf Friedensgespräche, die am 25. Februar in Genf weitergeführt werden sollen. Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz wollten sich am Donnerstag die Außenminister mehrerer beteiligter Staaten treffen, um Möglichkeiten einer Fortsetzung auszuloten.
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