Es lief bisher nicht gut im Zivilverfahren gegen Ex-Präsident Trump. Im Fall einer Verurteilung hätte der Präsidentschaftskandidat zumindest ein moralisches Problem.
07.05.23, 19:04
aus Washington Dirk Hautkapp
Es wird ein denkwürdiger Abend – so oder so. Donald Trump kehrt am Mittwoch (10. Mai) nach siebenjähriger Abwesenheit auf den TV-Sender CNN zurück, den er ritualhaft der Links-Propaganda geziehen hatte. Zuschauer im Saint Anselms College in New Hampshire fragen, der amerikanische Ex-Präsident antwortet. Dazwischen eine Moderatorin als Prellbock. Ein heikles Unterfangen, denn Trumps Umgang mit der Wahrheit ist bekanntlich nicht immer friktionsfrei.
Und dann kommt auch noch sie dazu: E. J. Carroll. Die Frau, die zur Stunde in einem New Yorker Gerichtssaal nach Meinung der Reporter vor Ort "bella figura" macht, gute Figur also, in einer sehr hässlichen Angelegenheit. Es geht um eine Vergewaltigung, die sich Mitte der 1990er-Jahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses zugetragen haben soll. Der angebliche Peiniger: Donald Trump. Dessen Standard-Kommentar: Hat nie stattgefunden.
Am Tag der CNN-Live-Sendung könnte das Urteil der Jury kommen. Es geht, weil es sich um ein Zivilverfahren handelt, nicht um Haft, sondern um Schadensersatz in unbekannter Höhe. Und vor allem um Reputation. Carroll fühlt sich von Trump verleumdet, seit sie nach langem Schweigen 2019 in einem Buch die Begegnung mit ihm erstmals öffentlich gemacht hat.
Erfolglose Verteidigung
Richter Lewis Kaplan drückt aufs Tempo. Und nach bisherigen Verlauf muss man sagen: Gut sieht es nicht aus für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten 2024, der neben der Causa Carroll weitere juristische Mühlsteine um den Hals trägt. Alle Versuche von Trumps Anwalt Joe Tacopina, die Glaubwürdigkeit der inzwischen 79-Jährigen zu erschüttern, "dürfen bisher als gescheitert gelten", schreiben US-Medien.
Mit festen Worten und selbstironischem Unterton parierte die Kolumnistin den Vorwurf, sie habe die Geschichte mit Donald Trump aus Geltungssucht und Geldgier erfunden. Warum sie nicht geschrien habe, wollte Tacopina etwa wissen. Konter: "Ich bin keine Schreierin." Warum sie Trump nicht angezeigt hat? Konter: "Die Tatsache, dass ich nie zur Polizei gegangen bin, ist für jemanden in meinem Alter nicht überraschend. Ich bin im Jahr 1943 geboren. Meiner Generation ist beigebracht worden, sich nicht zu beschweren."
Offenbart hat sie sich wenige Minuten nach dem Vorfall im Kaufhaus Bergdorf Goodman nur Linda Birnbach. Die Freundin der Klägerin beglaubigte Carrolls Angaben gegenüber den neun Geschworenen vehement: "Ich will, dass die Welt weiß, dass sie die Wahrheit sagt."
Das wollen auch Jessica Leeds und Natasha Stoynoff. Zwei von 26 Frauen, die Trump sexueller Übergriffe bezichtigen.
Nächste Verfahren warten schon
Leeds schilderte, wie Trump sie vor 40 Jahren während eines Linienfluges begrapscht habe. Schlüsselsatz: "Es war, als hätte er 40 Millionen Hände." Stoynoff war 2005 als Journalistin für eine Leute-Postille in Mar-a-Lago zu Gast, als Hausherr Trump übergriffig geworden sei.
Was Trump dazu meint, erfahren die Geschworenen nicht. Der 76-Jährige bleibt dem Prozess demonstrativ fern. Sein Verteidiger will auch keine Entlastungszeugen aufbieten. Man stellt sich auf den Standpunkt: "Alles gelogen. Der Prozess hätte nie stattfinden dürfen."
Eine riskante Strategie, sagen selbst konservative Kommentatoren. Denn glauben die Geschworenen Frau Carroll, dann haben die Republikaner einen – nicht strafrechtlich, aber moralisch – überführten Vergewaltiger als Präsidentschaftskandidaten.
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