Trump wie Alkoholiker? Engste Vertraute mit kurioser Generalabrechnung

Donald Trump spricht in einem dunklen Anzug mit US-Flagge am Revers.
Der Präsident benehme sich wie ein Alkoholiker, sein Vize sei ein Verschwörungstheoretiker: Trumps engste Vertraute Susie Wiles gibt mit einem Interview Rätsel auf.

In einer konventionellen Präsidentschaft würden die Äußerungen, die Susie Wiles, die wichtigste Frau im Orbit Donald Trumps, dem Hochglanz-Magazin Vanity Fair in elf Interviews ins Aufnahmegerät gesprochen hat, wohl zu ihrer Entlassung oder ihrem Rücktritt führen.

Die Stabschefin des US-Präsidenten attestierte diesem, „die Persönlichkeit eines Alkoholikers“ zu haben. Dabei lebt Trump seit Jahrzehnten abstinent. Sie sagt Vizepräsident JD Vance nach, er sei „seit einem Jahrzehnt Verschwörungstheoretiker“, sein Wechsel vom Trump-Kritiker zum Bewunderer „politisch motiviert“ gewesen.

Bei Russell Vought, dem christlich-nationalistischen Haushaltsdirektor der Regierung, handele es sich um einen „absoluten Fanatiker der Rechten“; Justizministerin Pam Bondi habe die Bewältigung der Epstein-Affäre anfänglich „komplett vermasselt“. Elon Musks unberechenbaren Stil bei der Entlassungswelle in Ministerien und Bundesbehörden führt Wiles auf seinen „bekennenden Ketamin-Konsum“ zurück und nennt ihn einen „seltsamen, seltsamen Kauz“.

U.S. President Donald Trump departs the White House en route to Norfolk, Virginia

Doch damit nicht genug der Generalabrechnung: Wiles diktierte dem bekannten Reporter Chris Whipple in den Block, dass Trump ihren Rat ignoriert habe, die gewalttätigsten Randalierer des Sturms aufs Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 nicht zu begnadigen. Dass sie ihn vergeblich bedrängt haben will, sich mit Strafzöllen zurückzuhalten, die unter seinem engsten Kreis ohnehin sehr umstritten seien.

Dass sie die von Musk, seinerzeit Chef der Abteilung für Regierungseffizienz (Doge), autorisierte Auflösung der Entwicklungshilfeagentur USAID bestürzt habe. Dass Strafverfolgungsmaßnahmen des Justizministerium ursächlich auf Trumps Rachegelüste zurückgingen. Dass manche Abschiebungen von Einwanderern durch die ICE-Behörde kritikwürdig gewesen seien. Dass Trumps wahres Ziel bei den Angriffen gegen Drogenkurier-Boote in der Karibik der Abgang des Maduro-Regimes in Venezuela sei.

Schadensbegrenzung

Die Substanz ihrer Aussagen, wüteten republikanische Stimmen in Washington, „markiert einen Affront gegen den Präsidenten und sein Team“ und zögen einen Rattenschwanz von Fragen nach sich: „Will sie angesichts der abstürzenden Popularität Trumps ihren Abgang vorbereiten?“

Als die Geschichte erschien, versuchte sich Wiles umgehend in Schadensbegrenzung. In Gesprächen mit Kabinettsmitgliedern pochte sie darauf, ihre Zitate seien bewusst aus dem Zusammenhang gerissen worden. Sie bestritt etwa, die Aussagen über Musks Drogenkonsum überhaupt getätigt zu haben. Autor Whipple konnte gegenüber den New York Times per Mitschnitt das Gegenteil nachweisen.

Um die Fallhöhe dieses Skandals zu erfassen, muss man kurz das Amt betrachten, das Wiles als erste Frau ausfüllt. Der „Chief of Staff“, in diesem Fall die Stabschefin, ist die wichtigste Person in der Regierung unterhalb des Präsidenten. Über den Schreibtisch der 68-Jährigen laufen alle Gesetze und Erlasse. Sie bestimmt, wer Zugang zu Trump bekommt und ist immer im Raum, wenn wichtige Entscheidungen fallen.

Wiles war es, die Trump trotz Gerichtsverfahren und einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs durch das politische Unterholz navigierte und ihm die republikanische Präsidentschaftsnominierung sicherte. Im Wahlkampf warb sie Spenden in dreistelliger Millionenhöhe für ihn ein und wurde zur Architektin seines Sieges am 5. November 2024. Trump nennt sie seine „Eisjungfrau“ (Ice Maiden).

Trump hält ihr die Stange

Normalerweise reagiert Trump auf derartige Absetzbewegungen allergisch, diesmal verlief die Reaktion jedoch komplett antizyklisch: Wie auf Bestellung prasselten schon am Dienstagabend Solidaritätsbekundungen für Wiles ein. Trump selbst, Vize-Präsident Vance, Justizministerin Bondi und viele andere aus der ersten Reihe überboten sich geradezu mit Lobgesängen auf die Stabschefin. „Sie ist mit Abstand effektivste Stabschefin, die mein Vater je hatte“, schrieb etwa Trumps ältester Sohn Donald Jr.

Daraus eine Arbeitsplatzgarantie abzuleiten, wäre jedoch verfrüht, sagen Insider. Wiles mag im Moment für den Präsidenten unverzichtbar sein. Ihren Auftritt bei „Vanity Fair“ werde Trump aber „nie vergessen“.

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