Minus zehn Grad
Trump und seinen Beratern war angesichts von erwarteten Tiefsttemperaturen von gefühlt bis zu minus zehn Grad bei kräftigem Wind das Risiko zu groß, dass sich die Inhaber von rund 230.000 ausgegebenen Tickets sowie Polizisten, Helfer und Sanitäter Frostbeulen holen könnten. Weitere 250.000 Gäste wurden auf dem freien Teil der „Mall” zwischen Obelisk und Kapitol erwartet. Auch sie werden jetzt weitgehend zu Hause bleiben.
So ähnlich war es vor 40 Jahren schon mal. 1985 flüchtete Präsident Ronald Reagan bei Eisschrank-Temperaturen von minus 15 Grad ebenfalls nach drinnen. Zum Vergleich: Als Barack Obama am 20. Januar 2009 draußen den Eid ablegte, war es „nur" minus zwei Grad kalt.
Bruchteil der Gäste
Für Donald Trump fällt damit die von ihm ersehnte Open-Air-Großveranstaltung mit jubelnden Zuschauermassen aus allen Teilen des Landes aus, die nach der Vereidigung seiner Antrittsrede lauschen. In den Kuppelbau, der vor vier Jahren Kampfgebiet der von Trump inspirierten militanten Kapitolstürmer war, die den Wahlsieg Joe Biden kippen wollten, passt nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der geladenen Gäste. Bei Reagan 1985 waren es knapp 100. Trump 2.0 startet damit weitgehend als reines Fernseh-Ereignis.
Als Dankeschön an seine Anhänger hat Trump erneut die Capitol One-Arena in der Innenstadt buchen lassen. Hier sollen 20.000 Menschen die Zeremonie im Kapitol auf Großbildleinwänden live verfolgen können. Später ist hier auch die Parade geplant, die sonst vom Kongress bis zum Weißen Haus reichen würde. Trump will selber zugegen sein. Bereits am Sonntagnachmittag hält Trump in der für gewöhnlich von NBA-Basketballern und NHL-Eishockey-Profis genutzten Multifunktionshalle eine Kundgebung im Maga-Rally-Stil ab, bei der musikalisch YMCA, Kid Rock und Lee Greenwood auftreten sollen.
Zuschauer sind sauer
Für die Organisatoren der Inauguration bedeutet die Last-Minute-Verlegung eine komplette Neu-Orientierung. Tausende schwarze Plastikstühle, die seit Tagen auf der Mall vor dem Kapitol aufgestellt worden waren für Gäste mit Eintrittskarten, wurden bereits einzeln wieder zusammengeklappt, dutzende Toilettenhäuschen wieder abtransportiert. Was bleibt, sind die sich auf 50 Kilometer summierenden Einzelteile des 2,40 Meter hohen Sicherheitszauns im Regierungsviertel, der bereits am Freitag für kilometerlange Staus und Hupkonzerte sorgte.
Wie Team Trump den Einlass in die Rotunde im Kapitol, wo vor Kurzem noch der Sarg von Präsident Jimmy Carter (100) aufgebahrt war, steuern wird, ist noch offen. „Viel mehr als insgesamt 250 Leute passen da kaum hinein”, sagte ein Kongress-Mitarbeiter dieser Zeitung. Ärger scheint programmiert. Trump-Fans aus dem Mittleren Westen, die am Freitagmorgen in Washington per Flugzeug angekommen waren und mehrere Tage teure Hotels gebucht hatten, zeigten sich bei einem Spaziergang an der Pennsylvania Avenue sauer darüber, dass sie ihren „Helden” nicht live sehen werden. „Ich habe eine Farm. Wenn es kalt ist, muss ich trotzdem die Kühe melken.”
Für den Secret Service und die anderen Sicherheitsbehörden, die mit 25 000 Kräften das Groß-Ereignis absichern wollten, bedeutet die kurzfristige Verlegung der Location enormen Druck. In weniger als 48 Stunden muss ein neues Sicherheitskonzept her, um Trump a) im Kapitol und b) in der Sport-Arena, die er im Laufe des Montags aufsuchen will, wirkungsvoll schützen zu können.
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