Die Zuversicht der Chinesen

Die Zuversicht der Chinesen
Neues Buch. Raimund Löw über den Wohlstandssprung, die Erziehungsdiktatur und den Weltmachtanspruch Chinas

Xi Jinping will den ,chinesischen Traum’ erfüllen, China in seiner alten Pracht und Herrlichkeit wiederauferstehen lassen“, schreibt Hugo Portisch im Vorwort zu Raimund Löws neuem China-Buch. „Die Weltmacht“ hat es der jahrelange Korrespondent des ORF in Peking getitelt. Mit dem KURIER sprach er über den Optimismus der Chinesen und Chinas Rolle in der Welt.

1,4 Milliarden Chinesen, 2035 will China in allem Nr.1 der Welt sein – bis vor kurzem kannten wir von China grad A8 und A9 auf der Speisekarte. Wie erlebt ein China-Korrespondent das Reich der Mitte?

Raimund Löw: Man spürt eine unglaubliche Dynamik, im Alltag, in den politischen Botschaften. Es gibt eine ungeheure Vielfalt – nicht die Chinesen. Es gibt unterschiedliche Sprachen, Regionen, Traditionen und Interessen.

Von allem viel, aber was ist den Chinesen gemeinsam?

Es gibt eine Grundzuversicht, die großen Hürden, die es gibt, zu meistern. Das ist der große Unterschied zu Europa und dem Grundpessimismus. Wenn man in China Eltern fragt, „Wird es Euren Kindern besser gehen?“, sagen alle, ob arm, ob reich: „Na selbstverständlich“.

Woher dieser Optimismus?

Es ist die Erfahrung der letzten Jahrzehnte. Es gibt auch Probleme? „Ja, aber Ihr habt ja keine Ahnung, was wir vor 20, 30 Jahren für Probleme gehabt haben“, sagt der Chinese darauf. Die Straßen von Peking sind voll mit Autos, die Eltern- und Großeltern-Generation dagegen war oft zu arm, um sich Seife leisten zu können. Es ist dieser unglaubliche Sprung innerhalb einer Generation.

Ist das überhaupt verkraftbar?

Das politische System passt überhaupt nicht zu der Entwicklung. Da die Vielfalt des Landes und unterschiedliche Interessen, auf der anderen Seite die völlige Unfähigkeit des politischen Systems, damit umzugehen. Es gibt nur eine Führung und einen Führer, Xi Jinping, den mächtigsten Mann seit Mao Zedong. Alles, was anderer Meinung ist, ist Verrat, Korruption etc. Das ist die große Achillesferse.

Im Buch ist vom „Risiko des kommunistischen Absolutismus“ die Rede. Welches Risiko?

Wenn dieses Modell des fortschreitenden wirtschaftlichen Aufschwungs irgendwann auf Hürden stößt.

Wieso?

Man sieht das an den Säuberungen. China ist eine Erziehungsdiktatur. Alle paar Monate gibt es Säuberungen massivster Art, wo Parteiführer, hohe Funktionäre wegen Korruption angeklagt und verurteilt werden. So wird mit Vielfalt umgegangen. Das ist so, wie wenn die Frau Merkel den Herrn Seehofer ins Gefängnis wirft.

„Kein zweistelliges Wachstum mehr versetzt das Land mit konsumorientiertem Kapitalismus und marxistischer Staatsideologie in Stress.“ Ist die Führung schon im Stress?

Wir wissen es nicht, was in der Führung wirklich passiert. Xi Jinping ist jedenfalls der mächtigste Partei- und Staatschef seit Mao ...

... und lässt „sein Gedankengut verbreiten“, heißt es. Wie?

Es gibt Institute an den Unis, wo man Xi Jinping-Ideen studiert, an Hochschulen werden seine Werke gelesen. Und in der Sozialakademie CASS, ein Forschungsinstitut wie Harvard, müssen die Professoren Xi Jinping-Reden abschreiben!

Die Chinesen akzeptieren das?

Tendenziell glaube ich nehmen es die Chinesen positiv. Sie sehen eine Führungsstruktur, und mit seiner Anti-Korruptionskampagne hat Xi Jinping einen Nerv der Menschen getroffen, Motto: Wir ärgern uns über Bürokratie und Vetternwirtschaft, er ist auf unserer Seite. Xi Jinping ist nicht unpopulär.

Und die Wirtschaft? Die Wirtschaft gibt es in China auch nicht. Es gibt Regionen, denen geht es schlecht, anderen besser – generell hat das chinesische System die Krisen der letzten Jahre gut durchtaucht, durch diese Kombination aus Marktwirtschaft und Staat.

Peking fürchtet die Demokratie wie der Teufel das Weihwasser – wie laut ist der Ruf nach Demokratie in China wirklich?

Es gibt immer wieder Proteste, zum Beispiel in Sachen Umwelt, es gibt viele Streiks, da wird viel toleriert. Bei der Demokratiebewegung in Hongkong dagegen hat die Zensur sofort zugeschlagen – da war die Angst groß, dass der Funke nach China überspringt. Selbst wenn im TV CNN läuft, wenn über eine Demonstration in Hongkong berichtet wird, wird plötzlich der Bildschirm schwarz. Der Chinese hat überhaupt nur das chinesische Internet.

„Wenn China erwacht, muss die Welt erzittern“, sagte Napoleon. Erzittert sie gerade? Sorgen muss man sich, dass das internationale Gefüge ins Rutschen kommt. Weniger wegen China, als wegen Überreaktionen Amerikas. China ist eine aufsteigende Weltmacht, die USA, Weltmacht Nummer Eins, sind absteigend. Das ist gefährlich.

Von Afrika bis Europa breitet sich China aus.

Wenn man sich anschaut, wie viel chinesische Firmen in Europa gekauft haben, ist das minimal im Vergleich zu dem, was amerikanische, kanadische und andere gemacht haben. Aber es nimmt zu, weil China vorher inexistent war. Es gibt einen großen Nachholbedarf an Infrastruktur in Afrika, in Asien, und die Chinesen haben wahnsinnig viel Know how – so kommt das zusammen. Wenn es einen neuen Player gibt, der innovativ und erfolgreich ist in der Welt, dann soll man damit umgehen, selbst aktiv werden, aber sich nicht fürchten.

Aber wenn der Player so schnell und mit solcher Kapazität unterwegs ist?

China hat keine Tradition, irgendwen zu erobern. Die Europäer haben über Jahrhunderte die halbe Welt erobert, das gibt’s nicht in China. China möchte Einfluss auf die Nachbarschaft haben, möchte respektiert sein, möchte eine Rolle spielen. Aber fürchten ... – wenn eine chinesische Firma Piräus kauft, das jahrelang darniederlag, und in kurzer Zeit wieder hochfährt, der Hafen funktioniert, Arbeitsplätze sind da, da sehe ich jetzt keine Gefahr. China sieht sich einfach als eine der führenden, den Globus bestimmenden Mächte – bei den großen Fragen der Welt, da will China dabei sein.

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