Die Queen meldet sich im Brexit-Streit mahnend zu Wort

Die Queen meldet sich im Brexit-Streit mahnend zu Wort
Königin Elizabeth II. ruft in einem ihrer seltenen Statements zur britischen Politik zu mehr Besonnenheit auf.

Vor der für kommende Woche angesetzten Brexit-Abstimmung im britischen Parlament mahnt Königin Elizabeth II. dazu, Streitigkeiten gütlich beizulegen. Auf "der Suche nach neuen Antworten in der modernen Zeit" bevorzuge sie "bewährte Rezepte": gut übereinander zu reden, unterschiedliche Standpunkte zu respektieren, Gemeinsamkeiten auszuloten "und niemals das größere Bild aus dem Auge zu verlieren".

Zwar nahm die 92-Jährige das Wort "Brexit" nicht in den Mund. Britische Medien interpretierten ihre Rede dennoch als klare Botschaft an die Politik. Die Times titelt: "Queen zu kriegsführenden Politikern: Beendet die Brexit-Fehde."

Experte: Zustimmung zu "No Deal" gestiegen

Ein ungeregelter Brexit ist für viele ein Schreckgespenst und die mit Abstand schlechteste Lösung: ein ungeregelter, ein No-Deal-Brexit. Doch in der britischen Bevölkerung hat dieses Szenario seit dem EU-Referendum 2016 laut dem Politik-Analysten Roger Mortimore an Zustimmung gewonnen und sei derzeit laut Umfragen die zweitbeliebteste Option.

"Das war nur für eine sehr kleine Gruppe die ideale Lösung, aber diese Gruppe ist stetig gewachsen, als die anderen Austrittsoptionen weniger und weniger plausibel erschienen", erläutert der Experte vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos MORI im Gespräch mit der APA. Und zumindest teilweise liege das wohl nicht daran, dass so viel mehr Leute dieses Szenario für eine "gute und akzeptable Option" hielten, sondern sei als Reaktion darauf zu sehen, "was sie über die Politiker denken und darüber, wie die Verhandlungen gelaufen sind". Ein No-Deal-Brexit stelle außerdem zumindest sicher, dass Großbritannien die EU auch wirklich verlasse.

Mortimore beziffert die Zahl jener, die im Moment einen "No Deal" unterstützen, mit rund einem Drittel der Bevölkerung, "vielleicht mehr". Demgegenüber befürworteten nur etwa zehn Prozent das vom Unterhaus vergangene Woche abgelehnte Austrittsabkommen von Premierministerin Theresa May. "Es stellt niemanden zufrieden." Mit dem Deal würden die Dinge, die sich die Austrittsbefürworter von einem Brexit gewünscht hätten, nicht erreicht, "aber es bedeutet immer noch, dass wir austreten, also stellt es auch die Leute nicht zufrieden, die in der EU bleiben wollten".

EU-Verbleib populärste Option

Die populärste Option sei derzeit, in der EU zu bleiben - Mortimore setzt die Unterstützung dafür mit etwa 40 bis 45 Prozent an. Die britische Bevölkerung zeigt sich damit auch etwas mehr als zwei Monate vor dem geplanten Austrittsdatum 29. März weiter tief gespalten in der Frage, wie es in Sachen Brexit weitergehen soll.

Der Professor am Londoner King's College gibt freilich zu bedenken, dass die Entscheidung im Augenblick nicht bei den Bürgern liege, was diese auch wüssten. "Wenn man die Leute in einer Umfrage fragt, was sie denken, bekommt man die Ansichten, die sie äußern, ohne lange nachzudenken, wenn sie sich gegenüber Freunden über das politische Chaos beklagen. Und es könnte sein, dass sie zu einem anderen Schluss kämen, wenn sie noch einmal abstimmen könnten."

Man solle jedenfalls nicht glauben, dass es "eine Art populistischer Partei in Wartestellung" gebe, die sofort von den Konservativen übernehmen und all diese Stimmen an sich reißen und binnen zehn Tagen einen "No Deal" durchsetzen könnte, wenn sie die Möglichkeit dazu bekäme. "So ist es überhaupt nicht. Da geht es um viele Leute, die mit der Situation sehr unglücklich sind und ihre Unzufriedenheit auf unterschiedliche Arten zum Ausdruck bringen, und ich bin mir sicher, so wie sich die Ereignisse entfalten, werden sich auch die Ansichten der Menschen wieder ändern."

Auch deshalb hält Mortimore den Ausgang eines möglichen weiteren Referendums für nicht absolut sicher. Wenn man das Votum von 2016 mit der gleichen Fragestellung wiederholen würde, dürfte nach seiner Einschätzung das Pro-EU-Lager gewinnen, garantieren könne man das aber nicht. "Wenn man es morgen abhalten würde, würde 'Remain' wahrscheinlich gewinnen. Aber wenn man den Referendumsprozess morgen starten würde und dann in einem Monat abstimmen würde oder wie immer der zeitliche Rahmen dann wäre, so wäre das weitaus unsicherer."

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