München und die Folgen: Stärkerer Staat & Polemik

München und die Folgen: Stärkerer Staat & Polemik
Regierung reagiert besonnen auf die zweite Tat binnen Tagen - AfD nutzt Morde für Eigenwerbung, FPÖ zweifelt an Amoklauf.

Viel geschlafen kann Hubertus Andrä nicht haben, das sieht man. Das Entsetzen ist dem Münchner Polizeipräsident noch ins Gesicht geschrieben, als er am Samstagvormittag erklärt, was in der Nacht zuvor passiert ist. "Keine IS-Anhaltspunkte, kein Flüchtlingsbezug", sagt er, und ein wenig Erleichterung, dass es mit dem Morden vorbei ist, ist da auch dabei.

Nicht nur in München, in ganz Deutschland ist die Erinnerung an die Axt-Attacke in Würzburg noch frisch. Nicht mal eine Woche ist es her, dass ein 17-jähriger Afghane dort mit einem Beil auf andere losging. Das ist auch der Politik schmerzlich bewusst. Am Abend der Morde hört man kein Statement, zu unsicher sind die Informationen. Erst am Tag danach, als man weiß, wer der Täter war, stellen sich Ministerpräsident Seehofer und Innenminister Herrmann vor die Kameras; in Berlin wartet man sogar bis zum Nachmittag.

"Jeder hätte dort sein können"

Die Worte, die Betroffenheit, der Schmerz, sie gleichen sich bei allen. Von einer "unfassbaren Bluttat" und einem "schweren Schicksalsschlag für uns alle" spricht CSU-Chef Seehofer, zeitgleich mahnt er, dass "Verunsicherung und Angst nicht die Oberhand gewinnen dürfen". Auch Kanzlerin Merkel ist die Betroffenheit anzusehen. "Jeder von uns hätte dort sein können", sagt sie und erwähnt, wie sehr die "Schreckensnachrichten der letzten Tage" für Verunsicherung sorgten. "Der Staat wird alles daran setzen, um die Sicherheit und Freiheit der Bürger zu schützen", verspricht sie.

Wie genau man das anstellen will, ist am Tag eins nach dem Amoklauf nicht ganz klar. Seehofer spricht von einem "stärkeren Staat" und einem "Dreiklang aus Personal, Material und rechtlichen Voraussetzungen"; Genaueres will man bei einer Klausur kommende Woche eruieren. Ohnehin hat man sich eine Woche Nachdenkpause verordnet: Alle Veranstaltungen sind bis Sonntag abgesagt, auch der Staatsempfang der Festspiele Bayreuth.

Ob die Tat auch deutschlandweite Folgen haben wird, muss sich weisen. "Heute ist nicht der Tag für Konsequenzen", sagt Bundesinnenminister de Maizière vor der Presse, kurz danach fliegt er nach München, im Gepäck die Wünsche seiner Partei nach Videoüberwachung und einem Verbot von Sympathiewerbung, dem Verbreiten radikalen Gedankenguts. Vorschnelles Handeln verbittet er sich aber. "Ich verstehe, wenn viele wegen der zeitlichen Nähe der Taten in Nizza und Würzburg aufgewühlt sind, das bin ich auch", sagt er. "Aber man muss jede Tat für sich bewerten."

Vorschnelle Urteile

Eine Anspielung darauf, dass er und Merkel für ihr Abwarten Schelte von Medien und Bürgern einstecken mussten. Doch das scheint ihm egal: Die Regierung setze auf "Besonnenheit und Achtsamkeit", sagt de Maizière,und da hört man nicht nur Kritik an den vielen Fehlinfos von Bürgern, sondern auch an den internationalen Wortmeldungen raus. Frankreichs Präsident François Hollande etwa sprach etwas vorschnell von einem "terroristischen Anschlag", der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoglu twitterte auf deutsch, dass man im "Kampf gegen den Terrorismus" an Deutschlands Seite stehe. US-Präsident Barack Obama nahm das Wort Terror zwar nicht in den Mund, verwies aber implizit darauf: Er bot Deutschland, dem "engsten Verbündeten" der USA, alle Unterstützung an, Trump twitterte gar "Wir sind München".

Auch die Polizei weist bei ihrer Pressekonferenz auf Falschinfos hin. Die hätten durchaus auch "rechtliche Konsequenzen", heißt es da warnend – eine Botschaft, die sich auch die AfD zu Herzen nehmen könnte. Deren Vertreter stellten am Freitag nämlich unverhohlen Zusammenhänge zwischen den Morden und der deutschen Flüchtlingspolitik her. "Merkel-Einheitspartei: Danke für den Terror", schrieb André Poggenburg, Parteichef in Sachsen-Anhalt; Beatrix von Storch freute sich, dass es Kontrollen an der Grenze gibt.

Eine Haltung, die sich auch jenseits der Grenze findet. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky zweifelte noch am Samstag an den Ermittlungen: "Ein iranischstämmiger Terrorist, der Allahu akbar schreit und dann Kinder in München tötet, ist eh kein Terrorist. Man lernt nie aus", schrieb er. Nur: "Allahu akbar " schrie der Amokläufer laut Polizei nie.

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