Die EU hat ihre Rolle in Kiew verkannt

Die bisherigen Missionen der EU waren nicht nur erfolglos, sondern vor allem eines: kontraproduktiv

Mit halbherzigen Aktionen, Trägheit und dann diplomatisch kommunizierter "Betroffenheit" als kleinstem gemeinsamen Nenner kommt man nicht weit. Das manifestiert sich jetzt in diesem Augenblick, in diesen Stunden auf den Straßen Kiews in Blut, Asche und Gewaltexzessen – es ist das Scheitern der außenpolitischen EU-Maschinerie in dieser Krise. Zu glauben, in diesem Konflikt den Vermittler mimen zu können, war von Anfang an eine Illusion. Die EU hat ihre Rolle verkannt – oder fatal lange die Konfrontation mit Moskau gescheut. Brüssel ist kein Vermittler, Brüssel ist eine Partei in diesem Konflikt, ob es will oder nicht – hatte doch alles wegen eines geplatzten Assoziierungsabkommens mit der EU begonnen. Und wenn man Partei ist, muss man sie auch ergreifen, oder man hält sich heraus. Sanktionen, wie sie jetzt kommen sollen, sind ein erster Schritt. Aber einer, der verdammt spät kommt.

Denn mit der Unfähigkeit der EU, zu einer Linie zu kommen, und ihren schwachbrüstigen diplomatischen Initiativen hat man letztlich die politische Opposition in der Ukraine ins Messer rennen lassen und sie so von der Protestbewegung entfremdet. Und das nicht zum ersten Mal. Auch nach der Orangen Revolution waren ukrainische Hoffnungen auf eine EU-Perspektive im Brüsseler Entscheidungsfindungsprozess zermahlen worden.

Und heute? Von Eskalationsstufe zu Eskalationsstufe ist diese Krise der EU über den Kopf gewachsen. Mit dem Resultat, dass das Land heute nur ein Haarbreit von einem offenen Bürgerkrieg oder der Spaltung entfernt steht. Wer auch immer die jüngste Eskalation begonnen hat: Prä­sident Janukowitsch hat zur Genüge bewiesen, dass er Kompromisse nur eingeht, wenn sie seinem Machterhalt dienlich sind. Vielleicht ist diese Einsicht jetzt bis Brüssel durchgesickert – besser spät als nie. Aber das, was in den vergangenen Wochen und Stunden in der Ukraine geschehen ist, kann man nicht ungeschehen machen.

Nur eine klare Linie und die Ausschöpfung aller diplomatischen Mittel könnten Brüssel jetzt noch gegenüber der ukrainischen Regierung, ebenso wie gegenüber der politischen Opposition, vielleicht wieder ein wenig Glaubwürdigkeit verschaffen.

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