Die ewige Merkel: Sie schwebt und schwebt und schwebt ...

Aus zwölf mach 16 Jahre: Merkel wird wohl die nächste Kanzlerin sein. Einfacher wird es für sie nicht
Die alte Kanzlerin wird auch die neue sein. Ob das gut ist? Ihre Politik hat das ganze System verändert.

Was währt schon ewig?

Hört man sich dieser Tage in Berlin um, lautet die müde Antwort: Angela Merkel. Dass sie am Sonntag als erste ins Ziel gehen wird, daran zweifelt niemand.

Interessanter wird es aber beim Nachsatz. "Wie konnte das passieren?", heißt es da. Und: Was kommt danach?

Es geht uns ja gut, oder?

Es gibt in Deutschland eine ganze Generation, die keinen anderen Kanzler kennt als Angela Merkel. Ihre Raute, ihre kastenförmigen Blazer, ihre verschwurbelte Sprache, all das ist zum deutschen Kulturgut geworden. Dass sich viele dieser Generation auch künftig niemand anders im Kanzleramt vorstellen können, spricht darum Bände: Sie hat es geschafft, vielen Deutschen ein seltsam wattiges Es-geht-uns-gut-Gefühl zu geben.

Wie das geht? Ungeachtet dessen, dass es viele drängende Probleme gibt – siehe Dieselskandal – hat Merkel es geschafft, kein einziges davon jemals zu ihrem werden zu lassen. Beim Wähler kommt das dann so an, als gebe es ohnehin nichts zu lösen: Fragt man sie, was sie zu den Versäumnissen der Koalition sagt, heißt es nur "wir können in Vielem besser werden"; wird sie mit der G20-Eskalation konfrontiert, dankt sie schlicht der SPD, die "zum Erfolg dieses Gipfels beigetragen hat".

Brötchen backen mit Mutti

Ein findiger Beobachter hat das mal mit japanischer Kampfkunst verglichen. Dem Angriff ausweichen, die Wucht auf den Gegner umlenken – das ist ihr selbst in der Flüchtlingskrise gelungen: Sogar als CSU-Chef Seehofer sie auf offener Bühne abkanzelte, profitierte sie vom Unantastbarkeits-Nimbus: So etwas mache man nicht mit der Kanzlerin, hieß es da.

Dass Merkel zur präsidialen Übermutter geworden ist, liegt daran, dass sie in ihren zwölf Jahren im Amt immer integer wirkte; zum anderen ist aber auch eine Übermüdung im Hinterfragen schuld: Viele Medien üben sich lieber im Kanzlerinnen-Lesen als im faden Fakten-Beschreiben; die FAZ macht sich sogar über sich selbst lustig, indem sie ein Interview mit ihr mit "Brötchen backen mit Mutti" betitelt. Dass die Opposition wenig dazu beiträgt, aus Merkel wieder eine angreifbare politische Figur zu machen, tut sein Übriges: Grüne, FDP und SPD reiben sich lieber aneinander als an ihr; schließlich würde jede Partei gerne mit ihr koalieren. Davon profitiert wieder nur sie: Dass Merkels Methode, Ideen anderer für sich zu reklamieren, mittlerweile Normalität geworden ist, über die sich kaum wer aufregt, ist dafür ein guter Beleg.

Zu viel Harmonie

"Angela Merkel ist alle Parteien", sagte Stephan Hebel, Leitartikler der Frankfurter Rundschau, jüngst. Das drückt nicht nur aus, dass die CDU ihre Position so verbreitert hat, dass sie mit allen kann, sondern bezeichnet auch eine überbordende Harmonie im System. Das mag man als Ausdruck einer stabilen Demokratie sehen – oder als Gefahrensignal: Nicht zu Unrecht herrscht in der CDU Angst, dass es vielleicht am Sonntag zum Ermüdungsbruch kommt. Die AfD, der kreischende Ausdruck dessen, dass nicht alle in Deutschland das Uns-geht-es-gut-Gefühl teilen, wird womöglich auf Platz drei einziehen.

"Diese Wahl wird die schwierigste seit der Einheit", sagte Merkel vor einem Jahr – das stimmt auch für die Zeit nach der Wahl: Ob Merkel die nächsten vier Jahre so regieren kann wie bisher, ist ungewiss. Ihr Vorteil ist, dass es derzeit keinen aussichtsreichen Nachfolger gibt. Dafür hat sie, die Ewige, wie immer gesorgt.

Kommentare