SPD stolpert über ihren eigenen "großen Wurf"

Martin Schulz, seit zwei Monaten Parteichef
Pleiten-Serie: Auf die drei SPD-Wahldebakel folgt ein Fehlstart mit dem rotem Wahlprogramm – Häme gibt es auch für die Fokussierung auf innere Sicherheit.

Nein, heute besser nicht. Halt! Oder vielleicht doch?

So in etwa lässt sich das Schauspiel beschreiben, mit dem die SPD am Montag für Irritation und Gelächter im politischen Berlin sorgte. Das Wahlprogramm, um das die Genossen seit Wochen ein Geheimnis machen, hätte da vorgestellt werden sollen; allein – es war nicht fertig. Am Sonntagabend sagte man den Termin darum kurzerhand ab – nur, um ihn ob des Spotts über die Absage am Montag wieder anzusetzen.

Freilich, das könnte man mit Terminproblemen erklären, wie es SPD-Generalsekretärin Katharina Barley dann auch tat; Glauben schenkte dem aber kaum wer. Vielmehr zeugt die Panne von der ziellosen Hektik, die seit den drei verlorenen Landtagswahlen und dem Abrutschen der Umfragewerte rund um Parteichef Martin Schulz herrscht: Gut zwei Monate sind seit seiner Amtsübernahme vergangen, doch außer dem Wahlspruch "Zeit für Gerechtigkeit" hörte man seither kaum Konkretes.

Dabei blieb es auch am Montag. Dass die SPD auf kostenfreie Bildung und Kinderbetreuung setzt und für mehr Gerechtigkeit bei kleinen und mittleren Einkommen sorgen will, war schon bekannt. Die versprochenen Pläne und Berechnungen zu Rente und Steuern blieben die Genossen schuldig. Dies würde alles nachgeliefert, sagte Barley in ihren nur acht Minuten dauernden Ausführungen zum Programm. Wann, ist jedoch ungewiss.

Themenwechsel

Schulz, der das Programm zuvor als "großen Wurf" angekündigt hatte, meldete sich dazu gar nicht zu Wort. Stumm blieb die Partei am Montag auch, was den Themenschwenk angeht, den man nach der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen vor gut einer Woche vorgenommen hatte. Kurz nach der Schlappe verlegte die SPD ihren Fokus plötzlich hin zur Inneren Sicherheit, forderte mehr Polizei, mehr Härte bei Abschiebungen, mehr Videoüberwachung.

Das war wohl ein unüberlegter Schritt – denn die Häme der Union folgte sogleich: Der Schwenk sei nur eine Folge "der Panik und der Verunsicherung" in der SPD, hieß es etwa aus Bayern. Schließlich hatte die CDU genau mit diesem Thema im roten NRW gepunktet.

Zupass kommt der Union dabei natürlich auch, dass sie in Sicherheitsfragen trotz diverser Ausrutscher noch immer als vertrauenswürdigste Partei gilt. Das Thema steht – ähnlich wie in Österreich – beim Wähler generell hoch im Kurs. Dass in NRW und in Berlin zwei SPD-Innenminister mit groben Fahrlässigkeiten zu kämpfen hatten und haben, hilft den Genossen auch nicht gerade. Die Akte von Anis Amri – des Attentäters, der vor Weihnachten den Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz verübte – wurde kurz nach dem Attentat von Beamten frisiert: Man hat ihn darin deutlich ungefährlicher erscheinen lassen, als es der Fall war.

Für die SPD ist das eine verfahrene Situation. Man habe eine "Durststrecke", sagte Schulz vor einigen Tagen; aber dies sei kein Grund zu verzweifeln. Wie Recht er damit hat, wird sich weisen. In den Umfragen sieht die Zukunft jedenfalls eher düster aus. Da liegt die SPD mittlerweile nur mehr bei 26 Prozent – zwölf Prozentpunkte hinter der CDU.

Kommentare