SPD-Krise: Roter Retter gesucht

Kampfgeist sieht anders aus: Gabriel will nicht antreten.
SPD rutscht unter 20 Prozent – Parteichef Gabriel drückt sich um Kanzlerkandidatur.

Das "schönste Amt neben dem des Papstes" sei es, sagte SPD-Vorsitzender Franz Müntefering im Jahr 2004 über seine Funktion.

Zwölf Jahre und fünf Wechsel im Amt später glaubt in der SPD niemand mehr so recht an diese Worte. Selbst der amtierende Parteichef nicht: "Ich bin evangelisch, mir sagt der Vergleich nichts", sagte Sigmar Gabriel kürzlich in einem Spiegel-Interview. Das Augenzwinkern dabei blieb halbherzig, ebenso wie sein Wunsch, die Partei, der er vorsteht, weiter in der ersten Reihe zu vertreten: Im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat anzutreten, scheint für ihn eher Strafe denn Herausforderung zu sein – um dem zu entgehen, lobte er nun einen "Wettkampf" unter geneigten Kandidaten aus. Den Sieger, so Gabriels Plan, dürften die Parteimitglieder bestimmen.

Historisches Tief

Dass Gabriel sich nicht in die erste Reihe stellen will, scheint nur allzu verständlich. Das Vorhaben gleicht derzeit einem Himmelfahrtskommando. Während die Unionsparteien stabil bei etwa 34 Prozent liegen, rutschte die SPD im jüngsten Forsa-Wahltrend erstmals auf 19 Prozent ab – ein historischer Tiefstwert. Seit 1992 hat die SPD in keiner Umfrage mehr so schlecht abgeschnitten.

Die Gründe dafür suchen die einen bei Gabriel selbst, dem immer wieder ein populistischer Zickzack-Kurs vorgeworfen wird. Andere, die ihm die Stange halten, machen wie er selbst die Große Koalition verantwortlich: Die SPD als kleiner Koalitionspartner habe zwar mit Mindestlohn oder Rente mit 63 eine Reform nach der anderen durchgeboxt, die Lorbeeren dafür ernte aber stets Merkels CDU, heißt es immer wieder.

Beobachter sind da eher skeptisch. Forsa-Chef Manfred Güllner, der die für die SPD desaströsen Daten erhoben hat, mutmaßt, dass sich die "arbeitende Klasse", die Mitte der Gesellschaft nicht mehr von der SPD vertreten fühle – die Reformen seien nur für eine Minderheit relevant, so Güllner.

Kandidat gesucht

Es brauche zudem einen kämpferischen Kandidaten im Stile Brandts oder Schröders, so der Experte – doch die sind in der Partei derzeit rar. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der dabei immer wieder genannt wird, hat sich auch diesmal wieder selbst aus dem Spiel genommen. Die Einladung Gabriels zum "Wettkampf" schlug er aus, indem er den Parteichef zum "natürlichen Kanzlerkandidaten" machte. Man mache sich gegenseitig ja keine Posten streitig, ließ er ausrichten. Scholz soll nur dann nach Berlin gehen wollen, wenn Gabriel von sich aus hinwirft.

Ähnliches hört man von Hannelore Kraft, der Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, die auch keine Lust auf einen Wahlkampf haben soll. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der aufgrund seiner Beliebtheitswerte die besten Chancen gegen Angela Merkel haben dürfte, will sich zu der Thematik nicht einmal äußern. Ihm liegt offenbar seine verlorene Wahl 2009 schwer im Magen – traurige 23 Prozent erreichte er damals gegen die Amtsinhaberin.

Zwar ist noch nicht ganz klar, ob Merkel selbst ins Rennen geht, in der SPD geht man jedoch davon aus. Übrig im Kreis jener, die es mit ihr aufnehmen wollen, bleibt deshalb nur Martin Schulz: Seine Amtsperiode als EU-Parlamentspräsident läuft aus, und er soll Interesse an einer Kandidatur haben. Ob er der "rote Retter" ist, den die SPD braucht, ist aber fraglich – denn allein die Begründung, warum er Kandidat werden könnte, klingt nicht gerade kämpferisch: Eine Niederlage würde ihn im Vergleich zu den anderen am wenigsten beschädigen, heißt es.

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