FDP ist wieder da: Kalte Kapitalisten, dennoch cool

Die totgesagte FDP erlebt eine Renaissance: Sie ist wieder Zünglein an der Waage.

"Gerade erst ist ein 39-jähriger, eloquenter und gut aussehender Reformer an die Macht gekommen", sagt Christian Lindner beim Tag der Industrie in Berlin. Er macht eine kurze Pause, grinst. "Ich bin erst 38."

Bei 10,5 Prozent weisen die Umfragen der FDP aus; so viel, dass eine Koalition mit der CDU in Reichweite ist. Die Freude darüber kann sich der Parteichef nicht verkneifen, und ein bisschen Koketterie schadet ja nie; in diesem Fall halt mit Kollege Macron.

Ewige Kanzlermacherin

Denn dass dies möglich ist, daran wollten selbst überzeugte Freidemokraten lang nicht glauben. Nach dem Desaster von 2013, als die FDP nach vier Jahren Koalition mit Angela Merkel aus dem Bundestag flog, war sie nicht nur intern zerstritten, auch ihre Inhalte schienen obsolet: Der Kapitalismus, Kernprodukt der Liberalen, war durch die Krise infrage gestellt, und die ewige Leier von Steuersenkungen brachte mehr Spott als Stimmen.

Jetzt scheint Lindner, der die Partei damals als "stinkenden Leiche" übernahm, wie er sagt, aber an goldene Zeiten anzuknüpfen: Die FDP darf Kanzlermacherin spielen und flirtet mit Schwarz und Rot – eine Taktik, die ihr schon in der alten BRD gefiel. Zuerst war es Adenauer, dann Brandt und Kohl, mit denen sie koalierte; stets der Doktrin von viel Markt und wenig Staat folgend, aber immer anpassungsfähig.

Erst als die Grünen in den 1980ern auftauchten, stellte sich die Frage der Wählermobilisierung – und die war schwierig: Manche wollten die FDP zur populistischen Rechtspartei ummodeln; für andere gehörten Markt und Ideologie nicht zusammen. Gewonnen haben letztlich jene, die die FDP zur Spaßpartei machten – und sie so in ein Wechselbad der Wahlergebnisse und Gefühle stürzten. Die Fehler seiner Vorgänger will Lindner nicht wiederholen. Er will weg vom Steuersenker-Image seines Mentors Westerwelle, und weg von der Klientel-Politik, die unter Genscher noch völlig normal war. Nie mehr wolle man "Anwalts- und Zahnarztpartei" sein, heißt es, und auch Anbiederung an rechts, die etwa unter Möllemann Platz hatte, verbittet man sich: Die meisten rechten FDPler sind ohnehin zur AfD abgewandert, der FDP-Chef sieht sich darum maximal in der CSU-Nähe.

Viel Optik und Sound

Dass die AfD nur mehr bei 6,5 Prozent liegt, ist deshalb Wasser auf die Mühlen Lindners. Sein Credo lautet darum auch: kein Hartz-IV-Bashing mehr, sondern Bildung, Start-up-Wirtschaft und Digitalisierung – man habe "den Sound" geändert, sagt er; und auch die Optik ist anders. Nicht mehr gelb, sondern pink und türkis ist die FDP nun, und Lindner ist in seinen Wahlvideos im eng sitzenden T-Shirt zu sehen. Das erinnert wenig an die Altherren-Partei, in der Rainer Brüderle noch 2012 zu einer Journalistin sagte, sie "fülle das Dirndl gut aus".

Dennoch: Die jetzigen Inhalte sind jenen der Altherrenpartei nicht unähnlich. Im Programm steckt viel von der Partei der Besserverdienenden von damals; nur das Image der "kalten Kapitalisten" hat Lindner gewandelt. Damit spricht er auch jene an, die nicht reich sind, aber es gern sehen, wenn die Wirtschaft brummt. Aufpassen muss Lindner nur in einem Punkt, in dem er seinem Vorgänger ähnelt: Auch Westerwelle war eine One-Man-Show, die über die eigene Hybris stolperte. Gut in Erinnerung ist dessen Vorsatz, 18 Prozent zu holen, den er sich sogar auf die Schuhsohlen klebte. Lindner ist subtiler: Auf seinem Nummernschild prangt nur "D - CL 2017" – DeutschlandChristian Lindner 2017.

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