Deutschland: Nur jede dritte Muslimin trägt das Kopftuch

In Berlin klagt eine Pädagogin mit Kopftuch – sie fühlt sich diskriminiert.
Verbot in Schulen aufgehoben, spaltet aber Gesellschaft.

Schülerinnen ja – aber eine Lehrerin mit Kopftuch? Das war in Deutschland bis vor Kurzem nur selten zu sehen. Seit 2003 war das Tragen eines Kopftuchs in den meisten Bundesländern nämlich untersagt; Grund dafür war ein ebenso umstrittenes wie richtungsweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, das ein Verbot ermöglichte.

Jetzt, 12 Jahre später, mussten die Richter ihre eigene Meinung revidieren: Im Frühling hoben sie das pauschale Verbot auf. Es verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit, urteilten sie; ein Verbot solle künftig also nur mehr im Einzelfall zulässig sein – wenn das Kopftuch etwa den Schulfrieden gefährde.

Seither steckt Deutschland in einem Dilemma: Die Entscheidung pro oder contra Kopftuch wurde damit nämlich einfach vom Gerichtssaal ins Klassenzimmer verlagert – und ähnlich wie schon 2003 gibt es weder politisch noch gesellschaftlich einen Konsens darüber, wie damit umzugehen ist. Während etwa die CDU die Aufhebung mehr als kritisch sah, lobten die Grünen das Urteil, und die Linke verhielt sich auffällig ruhig. Die SPD hingegen gab sich gespalten – und bildete damit bestens das Stimmungsbild der Deutschen ab.

Klage in Berlin

Dementsprechend widerwillig gaben sich auch einige Länder, was die Aufhebung des Verbots angeht. Während in Hamburg Kopftuchträgerinnen schon seit Langem unterrichten, behält Bayern das Verbot muslimischer Symbolik bei – obwohl christliche und jüdische Zeichen erlaubt sind. Dass Berlin an seinem Neutralitätsgesetz festhält – es verbietet allen Angestellten jegliche Symbolik – egal, ob Kreuz, Kippa oder Kopftuch – hat nun juristische Folgen. Eine muslimische Lehrerin hat geklagt, weil sie wegen ihres Kopftuchs gleich gar nicht zu einem Auswahlverfahren eingeladen worden sei – ungeachtet ihrer Qualifikationen.

Das sei keine Seltenheit, sagt Petra Follmar-Otto vom Berliner Institut für Menschenrechte: "Von Bewerberinnen wird das oft berichtet", und zwar bei Behörden ebenso wie in der Privatwirtschaft. "Viele Musliminnen sind dem bisher ausgewichen, indem sie Mützen oder Perücken trugen", sagt sie.

Ob muslimische Lehrerinnen nun Haube gegen Kopftuch tauschen, bleibt abzuwarten. Allzu viele werden es aber ohnehin nicht sein: Nur 30 Prozent der Musliminnen tragen in Deutschland überhaupt ein Kopftuch – und eine Minderheit davon arbeitet im Lehrberuf.

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