Nur 74,3 Prozent: Die SPD straft ihren Chef ab
"Vielleicht war es ja ein schlechtes Omen, dass der Wahlgang wiederholt werden musste", wird vor dem Parteitags-Saal gewitzelt. Doch so richtig zum Lachen ist hier niemandem zumute: Parteichef Sigmar Gabriel hat gerade das schlechteste Ergebnis seit Langem eingefahren – nur 74,3 Prozent der Delegierten gaben ihm am Freitag ihre Stimme. Ein ähnlich mieses Ergebnis hat zuletzt Gerhard Schröder im Jahr 1999 eingefahren. Daran waren auch keine technischen Pannen schuld.
Trotz als Antwort
Die große Frage nach dem Warum stellt man erst gar nicht. Als das Ergebnis verlesen wird, gibt Gabriel die Antwort ohnehin selbst: Er reagiert mit einem süffisanten Lächeln – und holt, wie immer, zum Gegenschlag aus. "Man muss nicht erst auf dem Stimmzettel dagegen stimmen und dann aufstehen", sagte er in harschem Ton zu jenen, die ihm trotz dürren Votums stehend applaudierten.
Diese Art der Politik ist es, die viele – neben den schlechten Umfragewerten – als Grund seiner Schlappe identifizieren. Gabriel agiere barsch, sei nicht kritikfähig; er habe sich seit seinem Amtsantritt 2009 von der Basis entfernt, bekrittelten viele. Dass sich das aber so markant im Wahlergebnis manifestieren würde, prognostizierte im Vorfeld aber niemand – auch Gabriel nicht. Er reagiert deshalb gewohnt trotzig. "Jedem ist klar, was ich will – und 25 Prozent wollen das nicht. Jetzt ist mit Dreiviertel-Mehrheit entschieden, wo's langgeht."
Wie lange der 56-Jährige nach diesem Votum noch den Ton angeben wird, steht nun aber in den Sternen. Dabei bemühte er sich in seiner fast zweistündigen Rede vor dem Wahlgang noch sehr um die Gunst seiner Partei; er lehnte sich weit hinaus und gab sogar das Versprechen, die Genossen bei einer Ausweitung des umstrittenen Syrien-Einsatzes zu befragen. "Vielleicht hat er es sogar zu sehr versucht", meint so mancher Genosse im Nachhinein. Dass er vor der Wahl versuchte, sich vehement von Angela Merkel abzusetzen, scheint nicht jedem gefallen zu haben – der Kanzlerin vorzuwerfen, dass sie mit ihrem EU-weiten Spar-Diktum rechtspopulistischen Parteien wie dem Front National in die Hände spiele, sei eines Koalitionspartners eigentlich nicht würdig.
Richtig geschadet dürfte ihm aber sein Umgang mit dem Nachwuchs haben. Auf die Kritik von Juso-Chefin Johanna Uekermann, dass die SPD wegen solcher Volten nicht mehr glaubwürdig sei, reagierte er nur mit dem bockigen Satz: "Geführt wird von vorne." Dort, in der vorderen Reihe, sitzt Gabriel dann auch nach dem Votum – mit stoischer Miene. "Ich sag’ euch: Das schaffen wir", hat er noch vor der Wahl noch im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 gesagt. Fraglich ist nur, ob das "Wir" ihn als Chef dann noch miteinschließt.
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