Merkel und Schröder: Alphatiere unter sich

Vor zehn Jahren trat sie Gerhard Schröders Erbe an, nun hat Angela Merkel seine Biografie vorgestellt. Mit erstaunlich wenig Misstönen – schließlich profitiert sie bis heute von ihm.

Ganz dicht beieinander wollen sie nicht sitzen, ein Platz zwischen ihnen ist besetzt. Und dennoch: Allein, dass Angela Merkel und Gerhard Schröder gemeinsam auf einem Podium sitzen, ist ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist allerdings, wie die einstigen Rivalen übereinander reden: Voll des Lobes und in vornehmer Zurückhaltung üben sich die beiden – Misstöne, die hört man am Dienstag kaum.

Platz zwischen Merkel und Schröder hat nur jener Mann, der die ehemaligen Konkurrenten auch zu diesem Termin gebracht hat: Georg Schöllgen, dessen Buch über Gerhard Schröder vorgestellt wird – von seiner Nachfolgerin Angela Merkel.

Vor zehn Jahren

Merkel und Schröder: Alphatiere unter sich
German Chancellor Gerhard Schroeder listens to Christian Democratic Union (CDU) leader Angela Merkel (R) during a session of the lower house of parliament Bundestag in Berlin March 25, 2004. REUTERS/Fabrizio Bensch REUTERS
"Das ist nicht selbstverständlich angesichts unserer Geschichte", sagt der einstige Kanzler Schröder . Der 71-Jährige setzt dabei sein bestes Lächeln auf: Beinahe auf den Tag genau vor zehn Jahren hat er nämlich sein Amt an die Frau abgeben müssen, die nun neben ihm sitzt – und die als die mächtigste Politikerin Europas gilt. Die Schmach von damals, man merkt sie dem gefallenen Kanzler bis heute an.

"Es gibt einen eindeutigen Verlierer. Und das ist Frau Merkel", hatte er damals großspurig in die TV-Kameras gesagt. Ein Satz, gesagt voller Wut über den Misserfolg an den Urnen: Beide Großparteien waren 2005 auf knapp 35 Prozent gekommen, Merkels CDU lag nur ein klein wenig vorn. Dass Schröder dies am Wahlabend allerdings umfassend negierte, brachte ihm jahrelang üble Nachrede ein: Größenwahn, Realitätsferne, gar Trunkenheit wurden ihm später ob seines testosterongesteuerten Macho-Auftritts im Fernsehen unterstellt.

Von dieser Attitüde, früher spöttisch "Gerd-Show" genannt", merkt man heute herzlich wenig. Gerhard Schröder ist gealtert – und er muss, heute wie damals, die Bühne wieder an seine Nachfolgerin abtreten. Schon 2005 stieg Angela Merkel von der Neben- zur Hauptrolle auf, wusste den Wutanfall Schröders zu nutzen – während er sich selbst demontierte, schwieg sie und wartete. "Ich war dankbar, dass andere einen größeren Drang zu sprechen hatten als ich", sagt sie heute, ohne jede Überheblichkeit – schließlich kann sie auf zehn Jahre Kanzlerschaft zurückblicken. Doch auch das ehemals so rüpelhafte Alphatier Schröder scheint altersmilde geworden zu sein. "Lustvoll und suboptimal", nennt er seinen misslungenen Auftritt damals. "Missen möchte ich ihn aber nicht", sagt er lächelnd.

Berlusconis Uhren

Schröder lächelt auch, als seine Nachfolgerin aus seinem Leben erzählt, das Schöllgen auf knapp 1000 Seiten aufgeschrieben hat. Sie spricht davon, dass ihm, der Kämpfernatur, bei der Musterung Krampfadern diagnostiziert worden seien – und muss dabei selbst lachen. Ernster wird sie, als sie von den ersten Begegnungen der beiden Politiker spricht: Als man sich – sie Umweltministerin, er Ministerpräsident – lautstark um Atommüll-Transporte stritt, oder als es zur Amtsübergabe im Kanzleramt kam. "Im Büro stand ein Kuchen für mich, das fand ich ganz toll", sagt Merkel, und sie ist ehrlich berührt dabei. Amüsiert ist sie, als sie sich an den Fund im Kanzleramts-Tresor erinnert: Dort waren nicht Schröders Geheimakten, sondern Silvio Berlusconis Uhren.

Einigkeit zwischen beiden herrscht, wenn es um das Thema Macht geht. "Dass man ihn nicht unterschätzen darf, habe ich nie vergessen", sagt Merkel, die Hände zur typischen Raute geformt. Schelmischer Nachsatz: "Mit ihm wäre ich klargekommen. So kreative Menschen kann man im Kabinett brauchen." Auch er attestiert ihr hohes Machtbewusstsein – und, Selbstdarsteller wie er ist, zumindest ebenso große Durchsetzungskraft wie sich selbst: "An Ihrer Wiege wurde nicht gesungen, dass Sie Kanzlerin werden – an meiner auch nicht", sagt er und lacht sein Wolfslächeln, das ihn durch seine ganze Amtszeit begleitete.

Wie ein weiser Elder Statesman wirkt er dabei dennoch nicht, auch wenn die fast hagiografische Beschreibung seines Biografen dies glauben lassen möchte. Daran ändert auch nichts, dass Merkel ihm Rosen streut. "Gerhard Schröder hat sich mit der Agenda 2010 um unser Land verdient gemacht", sagt sie, nennt seine Erfolge sogar historisch. Freilich, die Früchte dieser Reformen erntet sie ja selbst: Schröders unbeliebte Einschnitte waren nötig wie zielführend, wie der Status Deutschlands heute zeigt.

Die Dankbarkeit, sie scheint echt. Schließlich profitieren beide voneinander: Schröder von Merkels Publikumswirksamkeit – und Merkel selbst von der politischen Größe, die sie mit dem Auftritt demonstrieren kann.

Schröders Auftritt im TV

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