Merkel flirtet mit Grün statt Rot

Kretschmann und Merkel sind beide Fans von Schwarz-Grün.
SPD arbeitet sich an deutscher Kanzlerin ab, CDU liebäugelt mit den Grünen.

Das Wörtchen Obergrenze hat er ganz bewusst gewählt. Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel im ZDF-Sommerinterview nicht nur heftig an Merkels "Wir schaffen das" rüttelte, sondern auch noch Horst Seehofers Wort des Jahres 2015 verwendet hat, war eine eindeutige Botschaft: Die SPD ist im Wahlkampfmodus – und ihr Zielobjekt heißt Angela Merkel.

Misstrauensvotum

Gabriel versucht schon länger, sich auf Kosten der Kanzlerin zu profilieren. Allein, geglückt ist das bisher nicht so recht. Im Herbst strafte die SPD ihn bei der Wiederwahl zum Parteichef mit miserablen 74,3 Prozent ab, weil er ernsthafte Kritik an ihr mit plumpem Populismus mischte. Am 19. September,wenn die Partei über CETA abstimmt, droht ihm das nächste Misstrauensvotum – denn auch hier ist sein Kurs inkonsequent. Gabriel, der ja auch Wirtschaftsminister ist, wettert zwar gegen TTIP – in eben jenem Sommerinterview nannte er es sogar "de facto gescheitert" –, er wirbt aber parallel für das nicht minder umstrittene Abkommen mit Kanada. Ein Vorgehen, das die Genossen nicht gerade goutieren.

Bei der CDU übt man sich angesichts dieser Querschüsse in vornehmer Zurückhaltung. Merkel sorgt für mediale Ablenkung, indem sie ihren Antritt als Kanzlerkandidatin bewusst in Schwebe lässt – wohl auch wissend, dass ihr dieser Schritt derzeit mehr schaden als nützen dürfte. Dem Koalitionspartner lässt man derweil elegant durch die Hintertür ausrichten, dass man ihn eigentlich satt habe: Dass Merkel Baden Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann kürzlich zum Abendessen ins Kanzleramt einlud, war eine eindeutige Geste – eine solche Würde wird nicht jedem Landespolitiker zuteil. Dass der Grandseigneur der Grünen seine Begeisterung für eine schwarz-grüne Koalition im Bund kundgetan hat, war ebenso Taktik: In beiden Parteien mehrten sich daraufhin die Stimmen, die die Idee als gut befanden.

Vorgespräche laufen

Dass auch viele andere in der CDU gern mit den Grünen regieren würde, ist in Berlin kein Geheimnis – auch Merkel selbst soll dieser Option nicht abgeneigt sein, und schon seit geraumer Zeit treffen sich Politiker beider Parteien zu Vorgesprächen, nicht nur im stillen Kämmerlein. Dazu kommt, dass CDU und SPD schmerzlich bewusst ist, dass eine neuerliche Große Koalition wohl auf Kosten beider gehen würde – der Erfolg der AfD ist schließlich auch ein Produkt der großkoalitionären Schwerfälligkeit. Da hat man die FPÖ als Negativ-Beispiel in Österreich immer gut im Blick.

Spannend wird es allerdings, wenn CDU und Grüne nicht genügend Stimmen sammeln können, um zu regieren. Angesichts der aktuellen Umfragewerte ist das durchaus wahrscheinlich, vor allem, wenn die FDP wieder in den Bundestag einzieht.

Und geht der Sinkflug der Großparteien weiter, könnte sogar eine Große Koalition an zu wenigen Stimmen scheitern. Dann müssten CDU und SPD sich um einen dritten Partner umschauen – Dauer-Störfeuer wie jetzt wären in einer solchen Koalition vorprogrammiert.

Kommentare