Letzte Hoffnung: Merkel-Müdigkeit
"Obama sagt, er würde Angela Merkel wählen. Vielleicht hat die SPD doch noch eine Chance aufs Kanzleramt, schließlich galt seine letzte Unterstützung Hillary."
Dieser Witz wurde rund um den Besuch des scheidenden US-Präsidenten oft in Berlin erzählt. Er illustriert bestens, in welchem Dilemma die deutsche Politik derzeit steckt: Angela Merkel gilt als alternativlos – im Positiven wie im Negativen. Dass sie am Sonntag verkündet hat, noch mal ins Rennen gehen zu wollen, war für sie selbst ebenso wie für viele Beobachter unausweichlich, schließlich hat sie selbst dafür gesorgt, dass es keinen potenziellen Nachfolger gibt. Ebenso gesichert scheint derzeit, dass sie die Wahl im kommenden September tatsächlich gewinnen kann.
Umfrage-Tief
Der SPD könnte somit nur ein kleines Wunder helfen, sieht man sich die Umfragen an. Laut der jüngsten Infratest-Erhebung liegt die CDU zwar nur noch bei 33 Prozent, die Sozialdemokraten konnten vom Sinkflug der Christdemokraten aber nicht profitieren – sie stehen unverändert bei 23. Dazu kommt, dass die SPD seit der Ära Merkel immer mit demselben Problem zu kämpfen hat. Seit dem Jahr 2005 mangelt es an einem aussichtsreichen Gegenkandidaten.
Sein Parteikollege Martin Schulz, dessen Ära als EU-Parlamentschef ja vermutlich im Jänner endet, scheint deutlich entschlossener. Viele SPDler machen deshalb Stimmung dafür, dass das umtriebige Kommunikationstalent als Kanzlerkandidat nominiert wird. Er wäre ein frisches Gesicht in Berlin, und hätte auch bessere Beliebtheitswerte als Gabriel – wenngleich er im direkten Vergleich zur CDU-Chefin noch immer alt aussieht: 18 Prozent würden laut einer aktuellen Stern/RTL-Umfrage für Gabriel votieren, immerhin 29 für Schulz – Merkel hält aber noch immer bei 46.
Zwist der Parteifreunde
Dass sie nun mit ihrer Kandidatur vorgeprescht ist, setzt die SPD zusätzlich unter Druck. Man will zwar wie geplant bis Jänner warten, um die Kandidatenfrage zu klären, hieß es am Montag, aber die Debatten bis dahin werden der Partei kaum nützen. Schon jetzt dringen Gerüchte an die Öffentlichkeit, wonach Schulz und Gabriel in einen Führungsstreit verstrickt seien – Schulz sei nur bereit, das Außenamt vom künftigen Bundespräsidenten Steinmeier zu übernehmen, wenn er auch Kanzlerkandidat werde, heißt es etwa. Damit wäre Gabriels Karriere an einem toten Punkt.
Merkel hat somit in jedem Fall die besseren Karten. Selbst wenn die Wahl für die SPD besser ausgeht als prognostiziert und man genügend Stimmen für Rot-Rot-Grün sammelt, warten parteiinterne Konflikte – Gabriel, der Rot-Rot-Grün favorisiert, hätte massiven Gegenwind aus der Partei, Schulz gilt die Variante ohnehin als inakzeptabel. Damit bliebe wieder nur eines: der ungeliebte Part als Merkels Juniorpartner.
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