Koalitionskrach um Flüchtlings-Kosten

So gut gelaunt sind die drei Koalitionäre derzeit nicht.
"Erbarmungswürdig": Vor Landtagswahlen eskaliert Streit über "Solidarpakt" für Deutsche.

"Erbarmungswürdig". Das Urteil von Wolfgang Schäuble ist hart. Und es scheint ihm ein Anliegen, dass es genauso ankommt: Der deutsche Finanzminister hat nicht mal gewartet, bis er vom G20-Gipfel in Schanghai zurück ist, um Sigmar Gabriel auszurichten, was er von seinen Ideen hält. Noch von China aus ließ er ihn wissen, was er von seiner Idee eines "Solidarpakts" für Deutschland hält. Mehr Kita-Plätze, eine Erhöhung der kleinen Renten und mehr sozialen Wohnbau, das alles wünscht sich der SPD-Chef – damit sich die einheimische Bevölkerung wegen der Milliardenausgaben für Flüchtlinge nicht benachteiligt fühle.

Ein neuer Zankapfel

Der Krach ist damit perfekt. Kurz, nachdem der Streit um das zweite Asylpaket endlich beendet war, haben die drei Koalitionäre einen neuen Zankapfel gefunden – diesmal dreht sich alles um das liebe Geld. "Dass ich jetzt in allen Bereichen der Politik mehr Geld ausgeben muss, als in der Finanzplanung vorgesehen ist, damit nicht wegen der Flüchtlinge der Rechtradikalismus steigt, das ist nun wirklich erbarmungswürdig", giftete Schäuble, dessen schwarze Null durch den Vorschlag ja ins Wanken geraten würde. Auch aus Bayern kam sofortige Ablehnung. "Was ist das für eine Schnapsidee?", fragte CSU-Chef Horst Seehofer; CDU-Vize Julia Klöckner legte nach und warf der SPD "Zündeln" und "Panikmache" vor. "Das hätte die AfD nicht besser sagen können." Der Angegriffene schoss tags darauf ebenso scharf zurück. "Wenn der CDU der Überschuss an Steuern im Haushalt wichtiger ist als der gesellschaftliche Zusammenhalt, dann macht sie sich mitschuldig an der Radikalisierung im Land", konterte Gabriel via Bild-Interview. Und setzte nach: Ein Ja der SPD zum Haushalt 2017 werde es nur mit dem Solidarpakt geben .

Die Stimmung ist gereizt, daran besteht wenig Zweifel. Der Grund dafür ist aber weniger die Kostenfrage, sondern eher das Schreckensszenario, das die zwei Großparteien derzeit nervös macht: Am 13. März wird in drei Bundesländern gewählt – und vor allem der SPD steht dabei eine Niederlage ins Haus. Lediglich in einem der drei Länder – Rheinland-Pfalz – hält die SPD einen Ministerpräsidenten-Sessel, doch der scheint fast verloren – die rot-grüne Koalition käme laut Umfragen auf keine Mehrheit mehr, und die CDU unter Julia Klöckner liegt derzeit auf Platz eins. In Baden-Württemberg hätte die SPD ohnehin nie eine Chance auf das Amt; dort dümpelt nach den Grünen und der CDU man bei schwachen 14 Prozent dahin; und in Sachsen-Anhalt, das ohnehin traditionell schwarz ist, liegt die SPD nur bei 18 Prozent – und ist damit beinahe gleichauf mit der rechtspopulistischen AfD.

Die CDU hat es da zwar ein wenig besser, weil die Schlappe nicht ganz so fatal ausfallen könnte wie beim Koalitionspartner. Dort fürchtet man aber massive Einbußen wegen des sturen Kurses, den die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage verfolgt. Ähnlich wie die Bayern drängen die Spitzenkandidaten Angela Merkel deshalb dazu, noch vor den Wahlen ein Signal des Umdenkens auszusenden – die Angst, dass die CDU massiv Stimmen an die AfD verliert, ist groß.

Merkel-Interview

Bisher hat die Kanzlerin wenig Bereitschaft gezeigt, sich von den Wahlkämpfern und den kampfeslustigen Bayern etwas dreinreden zu lassen. Ob das so bleibt, wird sich Sonntagabend weisen. Um 21:45 Uhr gibt die Kanzlerin nach langer TV-Abstinenz ein Interview bei Anne Will.

Kommentare