Wenn der neue Kanzler am Nachmittag vom alten feierlich das Berliner Kanzleramt übergeben bekommt, dürfte ein Hauch Genugtuung durch das Büro im siebten Stock wehen.
Am Montagabend absolvierte Scholz seinen letzten großen Auftritt: Die Bundeswehr erwies ihm bei der Zapfenstreich-Zeremonie höchste militärische Ehre. Dabei wünschte sich der laut Umfragen unbeliebteste deutsche Kanzler als Eröffnungslied ausgerechnet „Respect“ von Aretha Franklin.
SPD-Minister vorgestellt
Bei den wirklich relevanten Terminen fehlte Scholz dagegen, politisch wird er ohnehin keine Rolle mehr spielen.
Die SPD hat inzwischen Lars Klingbeil übernommen. Der 47-Jährige nutzte die Gunst der Wahlniederlage im Februar geschickt, um sich in der eigenen Partei und den Koalitionsverhandlungen viel Macht zu sichern. Klingbeil wird Vizekanzler und Finanzminister, die SPD stellt trotz eines Wahlergebnisses von gerade einmal 16,4 Prozent sieben Ministerposten.
Vor den Backsteinwänden des Berliner Gasometers präsentierte Klingbeil am Montag sein Regierungsteam – und hielt sich dabei an zwei zuvor getätigte Versprechen: Mehr Frauen als Männer sollten es sein, dazu ein „Generationenwechsel“ innerhalb der Partei eingeleitet werden.
Mit Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan ist der SPD sicher die größte Überraschung gelungen. Die Tochter irakischer Eltern ist erst seit 2021 in der Partei, gilt aber schon jetzt als SPD-Zukunftshoffnung. Genau wie Wohnbauministerin Verena Hubertz (37), die zuvor als Start-up-Gründerin erfolgreich war.
Mit Carsten Schneider übernimmt ein treuer Wegbegleiter Klingbeils das Umweltministerium, die langjährige Justizbeamte Stefanie Hubig wird Justizministerin.
Für die heikelsten Posten setzt die SPD auf altbekannte Gesichter. Verteidigungsminister Boris Pistorius darf weitermachen und die teure Aufrüstung der Bundeswehr vorantreiben. Bärbel Bas, die als Bundestagspräsidentin überzeugte, wird Arbeits- und Sozialministerin – und muss dabei die komplizierte Sozialstaatsreform umsetzen, auf die Merz’ CDU besteht.
Harmonie als "letzte Patrone der Demokratie"
Mit dieser Truppe soll es eine andere Große Koalition als bisher werden, eine harmonischere. Schon jetzt warnt Merz, dass ein Scheitern dieser Regierung, wohl die AfD an die Macht spülen würde. CSU-Chef Markus Söder hatte gar von der „letzten Patrone der Demokratie“ gesprochen.
Klingbeil teilte diese Sorge bisher nicht öffentlich. Wahrscheinlicher ist, dass er sich durch eine erfolgreiche Legislaturperiode erhofft, 2029 selbst Kanzler zu werden.
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