Am "Supersonntag" steht Merkels Politik auf dem Prüfstand
Das Wörtchen "Zwischenbilanz" nimmt Angela Merkel schon länger nicht mehr in den Mund. Vor ein paar Wochen noch, vor dem ersten EU-Türkei-Gipfel, hat sie es öfter fallen lassen. Damals waren ihre Umfragewerte bescheiden, die Kritiker laut und die Beobachter pessimistisch – manch einer verwendete damals bereits das Wort "Kanzlerinnendämmerung", denn sogar ein Putsch gegen die Kanzlerin schien möglich.
Jetzt, beim zweiten Gipfel, hat Merkel deshalb alles daran gesetzt, um einen solchen Showdown-Eindruck zu vermeiden. Die Zwischenbilanz verschwand leise, eine Regierungserklärung blieb aus. Die neue Taktik? Da Merkel nicht willens ist, ihren Kurs zu ändern, hat man für den Fall eines Scheiterns vorgebaut – mit einer neuen Haltung, an der Österreich nicht ganz unschuldig ist.
"Frenemy" Österreich
Merkel findet sich seit Kurzem in einer neuen Rolle wieder: Seit die Grenzen an der Balkanroute geschlossen sind, sinken nicht nur die Ankunftszahlen an der deutschen Grenze, sondern auch die Zufriedenheit mit ihrer Politik steigt plötzlich – die Kehrtwende Wiens hat ihr innenpolitisch Spielraum verschafft. Werner Faymann ist so zu Merkels "Frenemy" geworden , analysiert das Magazin politico – ein Feind, der einem unabsichtlich Gutes tut.
Merkel kann sich deshalb in Brüssel guten Gewissens als die Retterin der EU geben – dass sie beim Gipfel so energisch auftrat (mehr dazu hier), hat auch darin seinen Grund. So kann Merkel erhobenen Hauptes nach Berlin zurückkehren, obwohl von ihren einstigen Kernanliegen – wie etwa die Quotenverteilung – schon lange nichts mehr übrig ist.
Ob sie dafür daheim Applaus erntet, ist freilich fraglich. Aber zumindest der Gegenwind dürfte recht schwach ausfallen. Schon vor dem Gipfel gaben sich die Kritiker um CSU-Chef Horst Seehofer zaghaft; aus der CDU hört man seit Tagen kein ernsthaft verstimmtes Wort mehr über die Kanzlerin.
Ein plötzlicher Stimmungswandel? Weit gefehlt. Die Merkel-Kritiker halten still, weil am Sonntag die nächste Zäsur ansteht: In drei Bundesländern wird gewählt, und die CDU könnte dabei massive Niederlagen einfahren. In zwei Ländern geht es darum, ob die Union Platz eins verliert – in Baden-Württemberg sind es die Grünen, die die CDU überflügelt haben, in Rheinland-Pfalz hat Julia Klöckner so stark verloren, dass sie gleichauf mit SPD-Konkurrentin Malu Dreyer liegt. Nur in Sachsen-Anhalt gilt die Wiederwahl von Reiner Haseloff als sicher – mit bitterem Beigeschmack allerdings: Dort liegt die AfD laut jüngster Bild-Umfrage mit 19 Prozent auf Platz zwei. Ohnehin ist es die Merkel-kritische "Alternative", die der CDU die meisten Stimmen kosten wird, so Experten. Einen Vorgeschmack darauf gab es nun in Hessen – bei der Kommunalwahl am Sonntag landeten die Rechtspopulisten auf Platz drei.
Testwahl
Der "Supersonntag", wie die Medien den Wahltag nennen, gerät zur Abstimmung über Merkels Politik. Sie selbst scheint das nicht weiter zu irritieren – vielleicht, weil die drei Spitzenkandidaten mit ihrer Anti-Merkel-Schiene bisher nicht gerade erfolgreich waren. Sollten sie ein schlechtes Ergebnis einfahren, könnte Merkel dies darauf schieben .
Am 14. März wird sie in Berlin jedenfalls die Ergebnisse analysieren – eine Zwischenbilanz ist da unausweichlich.
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