Debatte in Deutschland über die tatsächliche Zahl der freien Intensivbetten

FILE PHOTO: Behind the scenes COVID-19 reportage at a hospital and a home for elderly in Darmstadt
Kliniken sollen die Lage dramatischer dargestellt haben als sie tatsächlich war, berichten deutsche Medien. Was wusste die Regierung?

In einer Notsituation wie der Coronavirus-Pandemie muss oft schnell gehandelt werden. Das wissen auch die Beamten beim deutschen Bundesrechnungshof und betonen das auch in ihrem aktuellen Bericht. Dennoch sind sie bei ihren Recherchen offenbar auf einen Missstand aufmerksam geworden, den sie nicht unbeleuchtet lassen wollten: Es könnte sein, dass einige deutsche Krankenhäuser im Vorjahr bewusst weniger freie Intensivbetten an die Behörden gemeldet haben, als sie tatsächlich hatten.

Entsprechend mehr Förderungen aus der Staatskassa sollen diese Kliniken dann erhalten haben – so suggeriert es zumindest ein Bericht der deutschen Bild-Zeitung.

Wie das Boulevard-Blatt weiter folgert, soll zudem die Bundesregierung „seit Monaten“ über die „Manipulation“ Bescheid gewusst haben. Die Regierung soll infolge mit dem „Kollaps der Intensivstationen“ „Panik verbreitet“ haben, „um Lockdowns durchzusetzen".

Was ist an den Vorwürfen dran?

686 Millionen Euro für neue Betten

Unter den vom Bundesrechnungshof kritisierten Maßnahmen sind jene Gelder, mit denen die deutsche Bundesregierung im Vorjahr den Krankenhäusern zusätzlich aufgestellte Intensivbetten vergütete. Von März 2020 bis März 2021 sind 686 Millionen Euro für neue Intensivbetten bezahlt worden. Doch bis heute wisse man im Gesundheitsministerium nicht, wie viele Intensivbetten tatsächlich zusätzlich angeschafft und aufgestellt worden sind, kritisieren die Rechnungsprüfer.

Die Bild will einen Zusammenhang der Politik der Bundesregierung mit den falsch gemeldeten Zahlen erkennen. Sie beschreibt, wie Ende Oktober Bund und Länder den „Lockdown light“ beschlossen haben, mit Hinweis auf die „sich zuspitzende Situation“ bei den Intensivbetten. Das Gesundheitssystem könne „binnen Wochen“ an seine Grenzen kommen, sagte Kanzlerin Angela Merkel damals. Anfang November sagte Gesundheitsminister Jens Spahn: „Wenn die Intensivstationen einmal mit Covid-19-Patienten voll sind, dann ist es zu spät.“

Das neue Gesetz zur Klinikfinanzierung besagt, dass ein Krankenhaus eine Förderung erhält, wenn weniger als ein Viertel der Intensivbetten frei sind. Das Gesetz trat Mitte November in Kraft. Schon wenige Wochen später soll das Robert-Koch-Institut der Bundesregierung seine Zweifel an den übermittelten Zahlen der Krankenhäuser gemeldet haben. Doch weiterhin warnten Kanzlerin und Gesundheitsminister mit der Überlastung des Gesundheitssystems.

Ein Beweis für die angeblich geschönten Zahlen konnte allerdings bisher nicht gefunden werden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verweist auf die Notsituation während der Pandemie, da müsse man „schnell handeln“. Er kündigte Verbesserungen – vor allem bei der Abstimmung mit den Bundesländern - an.

Zu teure Masken

Auch andere Maßnahmen hat der Rechnungshof kritisch unter die Lupe genommen. So sollen etwa zu viele Steuergelder (mehr als 10 Milliarden Euro im Jahr 2020) für Ausgleichszahlungen für Kliniken in die Hand genommen worden sein, weil Krankenhäuser andere Patienten zunächst abgelehnt haben, um Kapazitäten für Covid-Patienten freizuhalten.

Zudem soll Deutschland einen zu hohen Preis für Schutzmasken gezahlt haben. Dieser habe stark variiert, betrug zu manchen Zeiten aber bis zu sechs Euro pro Stück. In deutschen Apotheken wurden diese Masken zum Teil gratis an anspruchsberechtigte Bürger vergeben. Das Gesundheitsministerium habe laut Rechnungshof aber "bis heute keine nachvollziehbare Begründung zur Festlegung der an die Apotheken gezahlten Erstattungsbeträge vorgelegt".

Gesundheitsminister Spahn rechtfertigt das mit dem Mangel an Schutzmasken am Markt. Bund und Länder seien sich aber einig gewesen, "dass besonders verwundbare Gruppen im Dezember Schutzmasken erhalten sollen".

Kommentare