In Deutschland sind die Gespräche über eine Jamaika-Koalition voererst gescheitert. Nun gibt es vier Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte.
21.11.17, 16:35
Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier wird wahrscheinlich noch in dieser Woche die erste Runde seiner Gespräche mit den für eine Regierungsbildung relevanten Parteichefs abschließen. Je nachdem, zu welchen Ergebnissen das führt, sind folgende Szenarien zu einer Regierungsbildung in
Deutschland denkbar:
Um kurz vor Mitternacht ließ FDP-Chef Lindner die Sondierungsgespräche platzen
Die
FDP gibt sich derzeit fest entschlossen, dass die Sondierungen mit
CDU,
CSU und Grünen endgültig beendet sind. Dennoch hält etwa der CDU-Innenpolitiker
Armin Schuster einen zweiten Anlauf für möglich. Allerdings brächte der FDP-Vorsitzende
Christian Lindner einen sehr guten Grund, um seine Entscheidung gesichtswahrend korrigieren zu können. Ein Weg dazu könnte etwa ein Signal der Grünen und/oder der Union sein, dass man der
FDP bei einem sehr wichtigen Thema wie dem Solidaritätszuschlag oder einer anderen zentralen Forderung erheblich entgegenkommen würde.
In einem solchen Fall könnte Lindner argumentieren, dass sich die "Prinzipientreue" der Liberalen gelohnt habe. Den Vorwurf einer "Umfaller"-Partei müsste er nicht fürchten, weil die FDP bereits bewiesen hat, dass sie nicht um jeden Preis regieren will. Gleichzeitig wäre es schwierig für Lindner, ein solches Angebot auszuschlagen. Denn dann würde klar, dass die FDP "Jamaika" nicht aus inhaltlichen Gründen ablehnt, sondern aus parteipolitischem Kalkül.
Große Koalition als Rettungsanker
Die
SPD lehnt ein Bündnis mit der Union derzeit genauso stark ab wie eines mit der
FDP. Erkennbar eröffnet die Union aber nun ein Trommelfeuer an Hinweisen, dass sich die Sozialdemokraten notfalls nicht entziehen dürfen. Auch Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble (
CDU) erinnerte - ohne irgendeine Partei beim Namen zu nennen - an die Verantwortung aller, eine
Regierung zu bilden. Denkbar wäre dieser Weg aber wohl nur dann, wenn sich zeigt, dass es außer Neuwahlen keine Alternative gäbe.
Die SPD könnte die Zustimmung ihrer Anhänger möglicherweise damit erreichen, dass sie der Union zwei oder drei extrem schmerzhafte Forderungen stellt und so demonstriert, dass es ein "Weiter so" der Großen Koalition nicht geben wird. Denkbar wäre etwa die ohnehin schon kolportierte Forderung nach einem Abgang Angela Merkels oder eine Steuererhöhung. Den Verzicht auf die Kanzlerin würde die Union dabei mit Sicherheit ablehnen. Aber der Ball läge im Lager von CDU und CSU, ihrerseits ein schmerzhaftes Zugeständnis zu machen, um nicht Schuld an Neuwahlen zu sein.
Eine Minderheitsregierung unter Führung
Merkels ist zumindest nicht undenkbar. Denn auch wenn die Kanzlerin sich am Montag in Interviews sehr skeptisch gegenüber diese Variante äußerte - möglicherweise liegt diese Entscheidung gar nicht in ihrer Hand. Diesmal gibt es einen überproportional hohen Anteil an neuen Abgeordneten im Parlament - die alle kein Interesse daran haben, bei drohenden Neuwahlen im Frühjahr wieder aus dem Parlament gekegelt zu werden. Theoretisch denkbar: Sollte
Steinmeier eine Kanzlerwahl mit
Merkel ansetzen, könnte diese in geheimer Wahl sogar eine Mehrheit erhalten. Dies könnte den Weg zu Neuwahlen erst einmal verbauen, weil einfache Abgeordnete nicht unbedingt die strategischen Überlegungen ihrer Parteichefs teilen.
Sollte keine dieser drei Varianten eintreten, käme es tatsächlich zu Neuwahlen. Einiges spricht dafür, dass der Bundespräsident bei einem Scheitern aller anderen Wege eher einen Neuwahltermin zu einem frühen Zeitpunkt ansetzt- vielleicht schon für Februar. Denn übergeordnetes staatspolitisches Ziel ist es, die Zeit einer nur geschäftsführenden
Bundesregierung möglichst kurz zu halten. Das Problem für die Parteien liegt nicht nur in dem hohen finanziellen Aufwand, der dann erneut zu leisten wäre, schließlich kann sich derzeit niemand sicher sein, wer wirklich profitieren würde.
Der Blick auf Umfragen hilft dabei nur wenig. Denn eine Sorge wird jedenfalls in etlichen Parteien geteilt: Die Wahlbeteiligung könnte erheblich sinken, weil gerade Anhänger der "Mitte"-Parteien genervt zuhause bleiben. Davon würde dann wahrscheinlich die AfD profitieren, die dann selbst bei einer gleichbleibenden Anzahl von Stimmen einen prozentual erheblich größeren Stimmenanteil erreichen könnte.
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