Türkei-Deal: EU-Nettozahler lehnen Zahlungen vorerst ab

Türkei-Deal: EU-Nettozahler lehnen Zahlungen vorerst ab
Ankara sichert die Grenzen, die EU zahlt für Hilfsprojekte - so war der Deal, doch nun gibt es Widerstand.

Kein Geld mehr für den Türkei-Flüchtlingsdeal – das ist die Devise der EU-Nettozahler. In einem Brief an die EU-Kommission fordern Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland, dass die zweite Tranche von drei Milliarden Euro an Ankara vollständig aus dem EU-Haushalt bezahlt wird. Das lehnt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ab, berichtet auch der SPIEGEL.

Worum geht es dabei? Im März 2016, als der Türkei-Deal geschlossen wurde, haben die EU-Regierungen mit Ankara vereinbart, zunächst drei Milliarden als Unterstützung für syrische Kriegsflüchtlinge zu zahlen (bis zu drei Millionen Flüchtlinge sollen in der Türkei leben). Eine zweite Tranche wurde versprochen. Zu einem Drittel kam die EU-Kommission für die Summe auf, zu zwei Drittel die Mitgliedsländer je nach Größe, Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung (auf Österreich entfielen rund 2,3 Prozent) . Deutschland zahlte den Löwenanteil. Jetzt will Ankara die zweite Tranche von drei Milliarden. Die Nettozahler legen sich aber quer.

Wie der KURIER aus EU-Kreisen erfuhr, wird eine Kompromissformel gesucht, wer wie viel bezahlt. Bei dem Druck, den die Türkei auf die EU ausübt, geht es ihr in erster Linie um Machtstreben und Drohgebärden. Dreht die EU den Geldhahn zu, kippt der Deal, die Türkei könnte dann wieder Flüchtlinge auf den Weg nach Europa schicken.

Die Nettozahler sehen in dem Türkei-Deal noch ein anderes Problem: Von der ersten Tranche sind erst knapp die Hälfte der Gelder für konkrete Hilfsprojekte vergeben worden. Das Prinzip des Deals ist, die Mittel an seriöse Projektpartner zu vergeben und die Mittel nicht direkt türkischen Behörden zu überweisen, was Ankara natürlich gerne hätte.

Die deutsche Bundesregierung ließ gestern auf Anfrage wissen, dass die Zahlungen an sich nicht strittig sind ("Die Bundesregierung bekennt sich auch weiterhin zu der Aufstockung der Fazilität um weitere drei Milliarden Euro"), eher die Art und Weise, über die man EU-intern beraten wird. Am Abkommen selbst gäbe es ebenfalls weder von der Kanzlerin noch von der Bundesregierung Zweifel, so eine Sprecherin in der heutigen Regierungspressekonferenz.

Für die flüchtlingspolitische Sprecherin vom Bündnis 90/Die Grünen, Luise Amtsberg, stellen sich hingegen ganz andere Fragen: "Das Ziel, die Türkei bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten aus dem syrischen Bürgerkrieg zu unterstützen, hat der Deal klar verfehlt. Über 400.000 syrische Flüchtlingskinder werden in der Türkei nicht beschult. Durch die derzeitige Innenpolitik Erdogans und die türkische Militäroffensive in Syrien produziert die Türkei täglich neue Flüchtlinge. Statt finanzieller Flickschusterei ist es höchste Zeit, den bestehenden Deal aufzukündigen, die Zusammenarbeit mit der Türkei neu auszurichten und ein krisenfestes gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen, das Flüchtlinge wirklich unterstützt.“

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