Das Ende der Cowboy-Seligkeit: Erobern die Demokraten Texas?
Lange Schlangen vor den Wahllokalen von Austin bis San Antonio. Als diese Woche das "early voting", also die Möglichkeit vorzeitiger Stimmabgabe für die US-Präsidentschaftswahlen in Texas begann, waren selbst die Behörden vom Andrang überrascht.
Doch ganz unerwartet kommt das große Interesse nicht. Drei Millionen Bürger in Texas haben sich seit den letzten Wahlen 2016 neu registrieren lassen. Es sind vor allem junge Latinos, Menschen also, die entweder selbst aus Mittelamerika eingewandert sind, oder Eltern haben, die irgendwann über den Rio Grande ins Land kamen. Und sie verändern Texas kulturell, sozial und vielleicht bald auch politisch.
Herzstück des konservativen Amerika
Kaum ein US-Bundesstaat steht in der öffentlichen Wahrnehmung so sehr für das konservative Amerika wie Texas. Der Lone Star State, Sitz der Bush-Präsidentenfamilie und Heimat großer Cowboy-Hüte, gilt seit Jahrzehnten als Hochburg der Republikaner. Auf der Wahllandkarte bildet der zweitgrößte Staat mit 29 Millionen Einwohnern ihre „rote“ Bastion als Gegengewicht zu dem „blauen“ Kalifornien der Demokraten.
Aber heuer könnte es anders werden: Zum Entsetzen der Republikaner und zur Freude der Demokraten könnte Texas die Farbe wechseln. Die Folgen für die US-Politik wären enorm."Wir sehen, dass die Bevölkerung und die neuen Wähler ganz stark in Richtung Demokraten tendieren", erläutert Luke Walford von der Wahlbehörde, dem US-Sender "CBS", "und das wird sich in vielen lokalen Wahlsiegen im ganzen Land niederschlagen." Doch drehen diese Erfolge auch den ganzen Bundesstaat um?
Keine Chance ohne Texas
Donald Trump hätte in diesem Fall eindeutig verloren, denn Texas stellt 38 der 270 zum Sieg benötigten Wahlleute. Dabei dürfte der Ausgang dort nicht im engeren Sinne wahlentscheidend sein. Schließlich zählt Texas nicht zu den "swing states", den wahlentscheidenden Schlüsselstaaten, wie etwa Pennsylvania oder Florida.
Nur knap gescheitert
Jedoch würde der Verlust von Texas unterstreichen, wie schwer die Niederlage wäre - etwa so, als wenn in Österreich die ÖVP bei einer Nationalratswahl auch Niederösterreich verlöre. Der ehemalige demokratische Abgeordnete Beto O'Rourke, selbst aus Texas, sagte der „New York Times“, Trump könne in diesem Fall auch nicht mehr wirklich Wahlfälschung für seine Niederlage verantwortlich machen. O'Rourke selbst ist 2018, bei den Wahlen für den US-Senat, nur ganz knapp an seinem republikanischen Gegner und Amtsinhaber Ted Cruz gescheitert.
O'Rourke weist zudem auf einen längerfristigen Effekt hin. In den USA werden alle zehn Jahre die Wahlkreise von der Partei neu gezogen, die im jeweiligen Bundesstaat an der Macht ist. Grundlage dafür ist die landesweite Volkszählung, die in diesem Jahr stattfand und auf deren Basis 2021 die Wahlkreisgrenzen neu gezogen werden. Bei einem Sieg auch auf Landesebene in Texas könnten die Demokraten sich durch dieses „gerrymandering“ den strukturellen Vorteil sichern, den die Republikaner jetzt genießen. Damit wären „auf zehn Jahre unsere Landkarten festgezurrt“, sagt O'Rourke. Profitieren würden davon auch die Demokraten „weiter unten“ auf den Stimmzetteln - die Kandidaten für Texas' Sitze im Kongress oder auf Landesebene.
Teurer Wahlkampf
Angesichts dieser Gelegenheit setzen die Demokraten mehr Ressourcen in Texas ein. Einer der ersten Schritte kam im Juli, als das Wahlkampfteam des Demokraten Joe Biden dort 65.000 Dollar (55.089,41 Euro) für Wahlwerbung ausgab. „Im Prinzip haben wir eine Gelegenheit gesehen“, sagte damals Molly Ritner von Bidens Mannschaft der Nachrichtenagentur Reuters zu der für US-Verhältnisse eher bescheidenen Summe. Es gebe 17 Bundesstaaten, bei denen die Demokraten sich Hoffnungen auf einen Wechsel machten. Jetzt werde versucht, so viele Wege zum Sieg zu öffnen wie möglich. Der Landesverband der Demokraten in Texas verweist selbst darauf, wie ungewöhnlich der Vorgang ist. Ein spezifisch auf Texaner zugeschnittener Fernsehspot des Biden-Teams sei der erste seiner Art seit 25 Jahren.Aber auch die Republikaner stecken auf einmal mehr Wahlkampf-Geld in den Bundesstaat, stolz verweist man auf fast 200.000 neu für die Wahlen registrierte, deklarierte Republikaner. Man müsse den Leuten nur klar machen, "dass sie sich nicht wollen, dass Texas so wird wie New York, oder San Francisco", meint ein republikanischer Wahlkampf-Stratege.
Wahnvorstellungen
Trump-Sprecherin Samantha Cotten erklärte zum Vorstoß der Demokraten im Juli, die Demokraten hätten „Wahnvorstellungen“ wenn sie glaubten, Texas erobern zu können. „Wir laden das Biden-Wahlkampfteam dazu ein, sein Geld durch eine Investition in den Lone Star State zu verbrennen“, spottete sie. Auch Experten zeigen sich skeptisch. Viele von ihnen erwarten, dass die Republikaner kurz vor dem Wahltag am 3. November noch zulegen werden. Zudem gewann Trump vor vier Jahren in Texas mit einem satten Vorsprung von neun Prozentpunkten. Michael Adams, Politik-Experte von derTexas Southern University, sieht die Chancen jedenfalls differenziert: "Um ehrlich zu sein, Joe Biden, der sorgt für nicht allzu viel Enthusiasmus, aber auf lokaler Ebene, da wird es interessant, da gibt es viel Begeisterung."
Texas ist im Rennen
Selbst wenn die Demokraten diesmal scheitern sollten, die Zeiten der unangefochtenen roten Hochburg könnten für Texas vorbei sein. Texas sei nicht im Rennen, weil eine große Zahl von Republikanern plötzlich überlaufe, sagt Manny Garcia vom Landesverband der Demokraten. „Texas ist im Rennen, weil es mehr von uns gibt als von ihnen.“
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