"Ah, wir werden alle sterben"

Daily-Show-Host Trevor Noah
Late-Night-Shows sind für junge US-Amerikaner eine wichtige Nachrichtenquelle – und oft besser und bissiger als die journalistische Konkurrenz.

Manchmal, erzählt Trevor Noah vor seiner Show, ist er ganz ruhig. Dann aber wieder denkt er sich: „Ah, wir werden alle sterben!“ Es geht natürlich um die Wahlen. Falls es schlecht ausgeht, wir haben Flugtickets nach Großbritannien, bietet ihm ein britisches Ehepaar an. „Nach dem Brexit? Oh, fuck off!“, sagt Noah.

"Ah, wir werden alle sterben"

Es ist der Vorabend dessen, was gemeinhin als die seltsamste Präsidentschaftswahl gilt, seit sich die Staaten Amerikas vereinigt haben. „Democalypse 2016“ steht auf den Screens im Studio der Daily Show, die vier Mal pro Woche auf Comedy Central die Nachrichten satirisch aufbereitet. „Die Comedy ist unsere Katharsis“, sagt Noah nach einem weit mehr ernsten als lustigen Aufruf, wählen zu gehen. Der Brexit, sagt Noah, sei da ein gutes Beispiel: „Nach dem Brexit sind rassistische, xenophobe und homophobe Übergriffe angestiegen. Das passiert, wenn Wahlen falsch ausgehen. Wenn Trump gewinnt, haben wir Randale auf den Straßen, weil sich die Leute das dann trauen.“

Übervater Jon Stewart

Late-Night-Shows wie die Daily Show sind für jene, die sie Millenials nennen, längst eine wichtige Informationsquelle - dort werden die Nachrichten des Tages in einer unterhaltsamen, im Idealfall aber genauso klugen wie bissigen Weise aufbereitet. Jon Stewart, der die Daily Show bis vor einem Jahr moderierte, wurde einst zum vertrauenswürdigsten News-Moderator der USA gewählt, obwohl er stets beteuerte, nur Satire zu machen. Eine dreiste Untertreibung. Stewarts Kritik an den Nachrichtensendern und allen voran des konservativen FOX News konnte vernichtend sein, seine Interviews waren manchmal härter als die seiner explizit politischen Kollegen und wenn er zu einem Thema Stellung nahm, war das schärfer als es jeder Leitartikel je sein könnte.

Mit Donald Trump hatte er bereits von Jahren einen Twitter-Krieg - Trump wies seine Follower in mehreren Tweets darauf hin, dass Stewart eigentlich Leibowitz heiße, und seine jüdische Herkunft verleugne, woraufhin Stewart twitterte, Trump heisse eigentlich „Fuckface von Clownstick“ und verleugne seine von-Clownstick-Herkunft, woraufhin Trump befand, das sei unlustig und Stewart eine „Pussy“ nannte.

Von Stephen Colbert bis John Oliver

Jon Stewarts größte Leistung war es aber, bei der Daily Show fast alle entdeckt und groß gemacht zu haben, die nun Furore machen. Stephen Colbert, der jahrelang mit seinem Colbert Report einen republikanischen Talkshowhost parodierte, bevor er David Letterman bei der Late Show nachgefolgt ist. John Oliver, der mit Last Week Tonight auch journalistisch brillant ein großes Thema pro Woche aufgreift. Samantha Bee, die heuer mit Full Frontal als erste Frau Late-Night-Show bekam – spät, aber zumindest früher als die USA eine Frau ins Weiße Haus gewählt haben. Und natürlich der Südafrikaner Trevor Noah, der Stewarts Platz bei der Daily Show eingenommen hat.

"Ah, wir werden alle sterben"

Stewarts Gewicht und Klasse erreichen sie noch nicht, vielleicht mit der Ausnahme von John Oliver in seinen besten Momenten und Stephen Colbert, wenn seine anarchistische Ader mit ihm durchgeht, die er für das breitere Publikum der Late Show manchmal unterdrückt. Auch Trevor Noah ist noch nicht ganz in die Fußstapfen seines Vorgängers gewachsen - vielleicht auch, weil er live besser rüberkommt als dann im Fernsehen. Hochprofessionell arbeitet er auf jeden Fall - kein einziger Versprecher in zwanzig Minuten Show, kein Satz, der wiederholt werden muss, keine Pointe, die nicht perfekt getimt ist.

Obama, der Comedian

Zwischen den Segmenten erzählt er von Freunden in Deutschland, die fassungslos auf die USA starren und sich fragen würden, ob sie nichts aus der deutschen Geschichte gelernt hätten. Dass die Daily Show mehr sein will, als nur Unterhaltung zeigt sich auch am Gast der Show: Einer der politischen Kommentatoren der Washington Post, Jonathan Capehart, gibt seine Einschätzung der Lage ab – vorsichtig optimistisch sei er.

Der scheidende Präsident Barack Obama war der erste, der sich auch im Amt in den Late-Night-Show blicken ließ – zuvor galt das als mit der Würde des Amtes unvereinbar. Allerdings hätten fast alle anderen Präsidenten dort eine schlechtere Figur abgegeben als Obama, dem nicht einmal seine schärfsten Kritiker komödiantisches Talent absprechen.

"Ekelerregender" Quotenbringer Trump

Für Bewerber um das Amt des Präsidenten ist es sowieso Usus, sich in den Late-Night-Shows zu zeigen - und Stephen Colbert taucht sogar in den geleakten E-Mails von Clintons Kampagnenchef John Podesta auf. Als Vize-Präsident Joe Biden bei Colbert auftrat, fürchtete das Clinton-Team, er würde dort seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten bekanntgeben. Denn warum sonst würde Colbert den Vize-Präsidenten wohl sonst in seine Show einladen?

"Ah, wir werden alle sterben"

Im aktuellen Wahlkampf legten die Shows einen Balanceakt hin – alle waren sie Trump gegenüber offen kritisch – „ekelerregend“ nennt Noah den Trumpwahlkampf zwischen zwei Segmenten. Aber alle widmeten sie ihm in jeder Sendung ausführlich Sendezeit, alle fütterten sie Trumps Verlangen nach Aufmerksamkeit und er lieferte ihnen im Gegenzug Material für Show um Show. Wobei die Realität manchmal die Satire einholt. Gerade wo die Daily Show einen satirischen Clip fertig hatte, in dem Trumps Wahlkampfteam ihm seinen Twitterzugang sperrt, ist nun genau das passiert.

Morgen ist es dann vorbei. Oder es fängt erst richtig an. „Genießt jeden Tag, als wäre es euer letzter“, sagt Noah zum Abschluss noch. „Trump ist nur zwei Prozentpunkte hinten.“

Kommentare