Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

Bei zwei Attentaten am Wochenende wurden zwei Menschen getötet. Der mutmaßliche Täter starb bei einem Schusswechsel.

Nur wenige Wochen nach den Schüssen in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Frankreich ist Dänemark von ähnlichen Anschlägen erschüttert worden: Zwei Menschen starben bei Attentaten in Kopenhagen - ein Schütze hatte das Feuer auf eine Diskussionsrunde mit dem schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilks sowie auf eine Synagoge eröffnet. Wenig später wurde der Attentäter von der Polizei erschossen - ein islamistischer Hintergrund ist wahrscheinlich.

Zwei mutmaßliche Komplizen festgenommen

Die dänische Polizei hat nun zwei mutmaßliche Komplizen festgenommen. Die Männer werden beschuldigt, dem Attentäter "mit Rat und Tat" geholfen zu haben und zurzeit verhört, wie die Ermittler am Montag berichteten. Einer der Männer wurde demnach am Sonntag in der Früh, der andere am Sonntagnachmittag festgenommen. Details gab die Polizei zunächst nicht bekannt. Die Verhöre fänden hinter verschlossenen Türen statt. Laut Medienberichten sollen die Männer dem Attentäter Waffen besorgt haben. Das bestätigte die Polizei nicht.

"Wir wollen gern Kontakt mit mehr Zeugen aufnehmen, die den Täter gesehen haben", erklärten die Ermittler. Besonders wichtig seien Zeugen, denen der Mann auf dem Weg zum ersten Tatort aufgefallen sei.

Mutmaßlicher Täter in Dänemark geboren

Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen
epa04621864 A police handout photo shows Omar Abdel Hamid El-Hussein whos was shot dead by the police on 15 February 2015 in connection to the terrorist shooting attacks in Copenhagen on 14 February 2015. Omar Abdel Hamid El-Hussein has been in police searchlight. Among other things, in connection with a violent stabbing at a train station in 2013. Officers shot him dead outside his apartment early Sunday in a hail of gunfire. Danish police said that the man they shot dead in Copenhagen earlier in the day is believed to be the gunman behind two fatal shootings at an event promoting freedom of speech and at a synagogue. EPA/COPENHAGEN POLICE / HANDOUT DENMARK OUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
Bei dem mutmaßlichen Täter von Kopenhagen handelt es sich um einen 22-jährigen Mann, der in Dänemark geboren wurde. Er sei den Sicherheitsbehörden bereits im Vorfeld des Anschlags bekannt gewesen, teilte die dänische Polizei am Sonntagabend mit. Der Attentäter sei durch verschiedene Straftaten wie Waffenbesitz, Gewalttaten und Bankenkriminalität aufgefallen.

Der 22-Jährige ist laut Medienberichten erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden. Er habe wegen einer Gewalttat im Gefängnis gesessen und sei zwei Wochen vor den Angriffen aus der Haft entlassen worden, berichtete die Tageszeitung Ekstra Bladet am Sonntag. Die Zeitung veröffentlichte ein Foto des Mannes, auf dem dieser klar zu erkennen ist. Die Polizei nannte aber keinen Namen.

Der frühere Rektor des Attentäters zeigte sich schockiert darüber, dass einehemaliger Schüler die beiden Terroranschläge begangen hat. Zumal er ein sehr fleißiger und begabter Schüler gewesen sein soll, der sich "rein fachlich gut geschlagen hat".

"Werden unsere Demokratie verteidigen"

Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen
Denmark's Prime Minister Helle Thorning-Schmidt places flowers in front of the synagogue in Krystalgade in Copenhagen, February 15, 2015. Danish police shot and killed a man in Copenhagen on Sunday they believe was responsible for two deadly attacks at an event promoting freedom of speech and on a synagogue. Thorning-Schmidt described the first shooting, which bore similarities to an assault in Paris in January on the office of weekly newspaper Charlie Hebdo, as a terrorist attack. REUTERS/Fabian Bimmer (DENMARK - Tags: POLITICS CRIME LAW)
"Es ist ein wirklich trauriger Morgen. Zwei Menschen haben aufgrund eines zynischen Akts des Terrors ihr Leben verloren“, sagte die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt(Bild)am Sonntag. Sie sei glücklich und erleichtert, dass der Schütze ausgeschaltet worden sei. „Niemand, der die freie, offene und demokratische Gesellschaft in Dänemark attackiert, soll davonkommen.“ Sie verwies auf einen islamistischen Hintergrund, relativierte aber: "Das ist kein Krieg zwischen dem Islam und dem Westen", so Thorning-Schmidt in einer Pressekonferenz anlässlich der Attentate.

Es gibt viele Fragen, die die Polizei noch beantworten muss“, sagte sie. „Aber es gibt eine Antwort, die wir heute schon geben können. Und die lautet, dass wir unsere Demokratie verteidigen werden.“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von "inakzeptablen Angriffen auf unsere offenen, freien und demokratischen Gesellschaften". Die USA zeigten sich in einer Stellungnahme von Außenamtssprecherin Jen Psaki solidarisch mit den Dänen. Man sei "vereint mit dem dänischen Volk sowie mit allen, die das universelle Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen und sich gegen Antisemitismus und jede Form von Bigotterie auflehnen".

Gedenkfeier am Montag

Die Stadt Kopenhagen will am Montagabend der Opfer der beiden Terroranschläge vom Wochenende gedenken. Zu der Feier um 20.00 Uhr, die am ersten Tatort, dem Kulturcafe Krudttönden stattfinden soll, haben sich auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und ihr Stellvertreter Patrick Klugman angekündigt. Das teilte das Büro des Kopenhagener Oberbürgermeisters Frank Jensen am späten Sonntagnachmittag mit.

Dutzende Schüsse

Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen
epa04619955 Forensic experts investigate the scene in front of the cafe Krudttoenden, where shots were reportedly fired during a discussion meeting about art, blasphemy and free speech in Copenhagen, Denmark, 14 February 2015. Several people are reported wounded as shots were fired at a cafe during a meeting organized by Swedish artist Lars Vilks. Viks has faced numerous threats for publishing drawings depicting the Prophet Muhammad in 2007. EPA/MARTIN SYLVEST DENMARK OUT
Der vermummte Angreifer hatte am Samstagnachmittag eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Meinungsfreiheit und Gotteslästerung in einem Kopenhagener Kulturcafe gestürmt. Er wollte sich offenbar den Weg in den Veranstaltungsraum freischießen, doch Leibwächter des Karikaturisten Vilks hätten das Feuer erwidert - dabei wurden ein 55-jähriger Mann getötet und drei Polizisten verletzt.

Der Anschlag löste einen Großeinsatz der Polizei aus. Einige Stunden später fielen dann Schüsse vor einer Synagoge in der dänischen Hauptstadt. Zunächst täuschte der Attentäter laut Medienberichten Trunkenheit vor. Taumelnd näherte er sich der Synagoge, ehe er einen 37 Jahre alten Wachmann tötete, berichtete die Tageszeitung "Politiken". Mit weiteren Schüssen verletzte der 22-Jährige zwei Polizisten, die versuchten, ihn aufzuhalten. Schließlich konnte er entkommen. In der Synagoge befanden sich etwa 80 Menschen, die zur Feier einer Bar Mitzwa gekommen waren - der Wachmann hatte vor dem Gebäude patrouilliert, da man die Sicherheitsmaßnahmen nach den Anschlägen von Paris im Jänner verstärkt hatte.

Einzeltäter

Kurz nach der Schießerei in der Synagoge evakuierte die Polizei dann den Bahnhof Nørreport: Unweit des ersten Tatortes wurde der mutmaßliche Attentäter dann erschossen. Der Mann sei angesprochen worden, habe das Feuer eröffnet und sei dann getötet worden, teilte die Polizei mit. Die Polizisten seien unverletzt geblieben.

Auf die Spur war man dem Täter anhand von Bildern aus Überwachungsvideos gekommen: Ein Taxifahrer identifizierte den mutmaßlichen Schützen darauf - er hatte ihn zum ersten Tatort gefahren. Als er nach dem zweiten Attentat wieder in der Gegend gesichtet wurde, griff die Polizei zu.

Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

Investigative personnel work at the scene of a caf
Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

A policeman is seen along a street in central Cope
Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

Police officer Skov gives a statement in front of
Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

Prime Minister Helle Thorning-Schmidt speaks to th
Nach Anschlägen: Zwei Festnahmen in Kopenhagen

Police secures the police headquarters in Copenhag

Islamistischer Hintergrund

Ähnlich wie bei den Anschlägen von Paris wird ein islamistischer Hintergrund vermutet, da der erste Anschlag dem dänischen Karikaturisten Lars Vilks gegolten haben dürfte. Er selbst ist sich dabei sicher: "Wem sollte er sonst gegolten haben?" sagte er der Nachrichtenagentur AP.

Vilks war oft bedroht worden, nachdem er im Jahr 2007 den Propheten Mohammed als Hund karikiert hatte - daraufhin wurde im Internet von einem Al-Kaida-Ableger im Irak ein Kopfgeld von 150.000 Dollar auf ihn ausgesetzt. Deshalb steht er in Schweden unter Polizeischutz und ist oft, wie jetzt in Kopenhagen, in Begleitung von Leibwächtern (mehr dazu hier).

Auch Dänemark hatte schon einmal die Wut von Muslimen auf sich gezogen, als vor zehn Jahren die Zeitung Jyllands-Posten Karikaturen mit des Propheten Mohammed veröffentlichte. Die hatte Unruhen in der islamischen Welt ausgelöst, bei denen mindestens 50 Menschen ums Leben kamen.

Die Orte des Geschehens

Der schwedische Künstler Lars Vilks (68) fertigte vor acht Jahren im Rahmen einer Ausstellung über die Freiheit der Kunst mehrere Skizzen für ein Kreisverkehrs-Kunstwerk an, die den Propheten Mohammed als Hund mit Menschenkopf darstellten. Eine dieser Zeichnungen wurde von der Tageszeitung "Nerikes Allehanda" im August 2007 abgedruckt.

Nach diplomatischen Protesten aus mehreren islamischen Staaten, darunter dem Iran und Pakistan, setzte ihn das radikal-islamistische Terrornetzwerk Al-Kaida auf die Todesliste und lobte ein Kopfgeld in der Höhe von 100.000 Dollar auf Vilks aus. Seither genießt Vilks speziellen Polizeischutz.

Mordkomplott

2009 gab es ein Mordkomplott gegen Vilks. Für ihre Beteiligung daran wurde die US-Konvertitin Colleen LaRose, die sich "Jihad Jane" nannte, zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Am 11. Mai 2010 wurde Vilks während einer Vorlesung an der Universität Uppsala von einem Zuschauer angegriffen und leicht verletzt. Vilks hatte bei seiner Präsentation ein umstrittenes Video gezeigt, das den Propheten Mohammed beim Geschlechtsverkehr mit Tieren darstellt. Bei einem Tumult im Vorlesungssaal wurde ein Polizist leicht verletzt. Zwei muslimische Zuhörer, die offenbar aus Empörung spontan handgreiflich geworden waren, wurden damals vorübergehend festgenommen.

Anschlag auf Privathaus

Ein paar Tage später wurde in seiner Abwesenheit ein Brandanschlag auf das Privathaus von Vilks verübt. Bei dem Angriff erlitt einer der beiden Täter, ein 19-Jähriger, eine Rauchgasvergiftung. Der Sachschaden hielt sich bei dem von der Polizei damals als "amateurhaft" bezeichneten Anschlag in Grenzen. Die Brandstifter - ein junges Brüderpaar - wurden später zu Haftstrafen verurteilt.

Auch der fehlgeschlagenen Terroranschlag vom 11. Dezember 2010 in Stockholm wurde außer mit dem schwedischen Militäreinsatz in Afghanistan mit den Mohammed-Karikaturen von Vilks in Zusammenhang gebracht. Der Täter hatte sich aus Versehen vorzeitig in einer Seitenstraße im belebten Stadtzentrum der schwedischen Hauptstadt in die Luft gesprengt. Außer ihm kamen damals keine Personen zu Schaden.

Eine Eliteeinheit der Polizei nahm im September 2011 in Göteborg drei Männer fest, die im Verdacht standen, anlässlich einer Ausstellungseröffnung einen Mordanschlag auf Vilks zu planen. Bei ihrer Festnahme hatten ein 26-jährige Somalier und zwei schwedische Staatsbürger Messer bei sich. Es konnte nicht geklärt werden, ob die drei damals tatsächlich ein Mordkomplott gegen Vilks geschmiedet hatten.

Umstrittener Künstler

Der Kunsthistoriker Vilks ist als Künstler in Schweden höchst umstritten. Seine Kritiker werfen ihm unter anderem vor, mangelnde Erfolge als Künstler durch bewusste Provokation wettmachen zu wollen und die Angriffe und Drohungen auf ihn medial bewusst auszuschlachten. Vilks tritt immer wieder bei antiislamischen Veranstaltungen auf. Unter anderem nahm er an am 11.September 2012 an einem internationalen Treffen der einschlägigen Organisation Stop Islamization of Nations (SION) in New York teil.

Kommentare