Revierkampf: Merkel faucht in der Höhle des Löwen

Angela Merkel beim Parteitag der CSU
Merkel lässt CSU bei Obergrenze für Flüchtlinge auflaufen – die kanzelt sie demonstrativ ab.

Ihr Gesicht ist versteinert. Es hat wohl nichts geholfen, dass sie sich vor ihrem Auftritt zum Vier-Augen-Plausch mit Horst Seehofer zurückgezogen hat; auch, dass er demonstrativ an ihrer Seite in die Halle einzieht, macht die Sache nicht besser. Angela Merkel grollt – und das will sie auch jedem, der hier beim CSU-Parteitag in München auf sie wartet, zeigen.

"Merkel raus"

Die Menge merkt das schnell. Als sie die Halle betritt, hält einer zwei Zettel hoch, "Merkel raus", steht darauf. Ein anderer ruft schelmisch "Wir sind das Volk!", ganz ernst meint er es nicht. Doch der Applaus bei ihrem Einzug in die Höhle des Löwen ist enden wollend. Es ist kein besonders herzlicher Empfang, der ihr bereitet wird: Willkommen bei den Wut-Bayern, liebe Flüchtlingskanzlerin.

Was die Menge, die hier auf sie wartet, will, ist klar: eine Obergrenze muss her, das hat die Partei vor ihrem Auftritt sogar in einem Leitantrag formuliert. Man will eine Abkehr vom "Wir schaffen das", das für die Bayern seit langem das eigentliche Übel der Flüchtlingskrise ist.

Doch zurücknehmen kann Merkel den Satz nicht, sie will es auch nicht, das macht sie auch diesmal wieder klar. Sie blickt fest ins Publikum, konfrontiert die 1000 Delegierten offen: Eine Obergrenze, die wird es nicht geben. Zwar sagt sie dass nur verklausuliert – "mit diesem Ansatz, so die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, schaffen wir es im Unterschied zu einer einseitig festgelegten nationalen Obergrenze, im Interesse aller zu handeln" – doch die CSU versteht schnell. Der Applaus, der am Anfang noch zwischen ihren Sätzen aufbrandete, verebbt langsam.

Wie eine Schülerin

Nachdem sie fertig ist, darf Horst Seehofer ran. Er muss, denn er kann sich das Fauchen der Kanzlerin nicht gefallen lassen – nicht in seinem Revier: Schließlich steht am Samstag seine Wiederwahl als CSU-Parteichef an. Und dafür braucht er den Groll, den seine Partei gegen Merkel hegt, mehr denn je.

"Ich wiederhole unsere Standpunkte. Es geht nicht ohne Begrenzung", sagt er mit breitem Lächeln. Lauter Applaus folgt. Er ist viel stärker, als er bei Merkel je war. Sie selbst steht ungerührt neben ihm, als er das sagt, sie hat die Hände verschränkt. Die Merkel-Raute, ihre traditionelle, einladende Geste, ist einer Abwehrhaltung gewichen. Sie wirkt ein wenig wie eine Schülerin, die gerade abgekanzelt worden ist – und kann auch kaum lachen, als Seehofer am Schluss noch zu einer versöhnlichen Geste ausholt: "Wenn ich mich an heute Nacht erinnere", sagt er mit schelmischem Blick – und meint die gute Beziehung zwischen den beiden. Er erinnert "an das nette Telefonat", das sie geführt haben; und an einen Satz, den Merkel ja selbst gesagt hat: "Merkel und Seehofer haben noch immer eine Lösung gefunden", sagt er. Und wenn das ihr Motto sei, könne sie auch gerne wiederkommen.

Gipfel des Streits

Doch so sehr er auch die gute Beziehung loben mag – die Risse zwischen beiden sind offensichtlich. Es ist der Gipfelpunkt eins Streits, den die beiden schon seit langem ausfechten – und auch, wenn Seehofer all das nur macht, um Tags darauf ein gutes Wahlergebnis zu erzielen, ist die Geste mehr als verletzend. So hautnah hat Merkel die Irritationen in den eigenen Reihen selten erlebt – man kann durchaus annehmen, dass sie wohl länger nicht mehr in die Höhle des Löwen zurückkehren will.

Kommentare