„Kürzlich hat es einen Zwischenfall in einem Einkaufszentrum gegeben“, sagt Erminia Corso aus Palermo am Telefon. „Jemand hat eingekauft, aber an der Kassa einfach nicht bezahlt.“ Sie wollte es der KURIER-Journalistin in Wien eigentlich nicht erzählen, aber natürlich habe man hier Angst, dass die Kriminalität steigt.
„Wir sind alle zuhause, verzichten, halten uns an Restriktionen, arbeiten nicht, nicht einmal schwarz. Aber jene Menschen, die schon vor dieser Krise arm waren, stehen jetzt am Rande ihrer Existenz.“ Die Sizilianerin kann sich vorstellen, dass sie jemand überfallen könnte, wenn sie den Einkauf nachhause bringt. „Ich könnte es ja sogar verstehen! Es wäre jetzt an der Zeit, diesen Menschen zu helfen.“
Ein „neues Virus“ verbreite sich in Italien: der Hunger, schreibt die Zeitung Il Mattino mit Sitz in Neapel. Während die Zahlen neuer Infektionen und Toten im Norden Italiens zuletzt etwas zurückgegangen sind, fürchtet man den Anstieg in südlichen – wesentlich ärmeren – Gegenden.
„Ganz Italien hat dasselbe Problem: Wegen der Restriktionen haben viele keine Arbeit mehr.“ Doch in Sizilien sei es noch einmal anders, sagt Corso, denn hier waren viele Familien schon arm, bevor die Krise begonnen hat. „Bis jetzt erhalten sie keine Unterstützung vom Staat – nur viel Blabla.“ Die Reiseleiterin hat selbst keine Arbeit mehr. Die letzte Rundreise machte sie Ende Februar, die Stornos reichen schon bis Ende Mai. Und auch danach macht sich Corso nur wenig Hoffnungen.
Vincenzo de Luca bereitet sich auf das Schlimmste vor. Der Präsident der südlichen Region Kampanien sorgt sich nicht nur um die ausreichende Anzahl an Beatmungsgeräten und Intensivbetten.
Er weiß, dass es in Kampanien auch für gesunde Menschen ums Überleben geht: Seine Regionalregierung plane ein Hilfspaket, das sie Rom am Dienstag vorlegen will. „In einigen Fällen geht es wirklich darum, den Armen Brot zu garantieren“, sagte De Luca gegenüber Il Mattino.
„Diese Krise hat in einer Zeit begonnen, in der es bereits tiefe Unterschiede im Land gibt“, sagte der Minister für die südlichen Regionen, Giuseppe Provenzano, in einem Interview mit La Repubblica. Sizilien ist eine der ärmsten Regionen Europas, während die Lombardei zu den reichsten und produktivsten zählt.
Viele Süditaliener fürchten eine massenhafte Einschleppung von Infektionen aus Norditalien. „Als die Fabriken im Norden schlossen, setzten sich viele in die Autos und fuhren in den Süden zu ihren Familien“, erzählt Corso. „Sie können gern kommen, aber sie sollen sich in Quarantäne begeben. Wir können uns hier die Zustände wie im Norden nicht leisten.“
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