Özgür Özel, der Imamoğlu-Vertraute
Özel und Kılıçdaroğlu trennen nicht nur 25 Jahre, sondern auch Vorstellungen darüber, wie die CHP mit der Wahlniederlage umgehen soll: Özel war einer derjenigen, die in den vergangenen Monaten öffentlich "einen Wandel in der CHP" gefordert hatten. Der 49-Jährige wurde nach den Parlamentswahlen im Mai neuer Fraktionsvorsitzender der CHP im türkischen Parlament.
Der Apotheker stammt aus der westtürkischen Provinz Manisa, neben der Tourismusregion Izmir, wo die CHP traditionsgemäß besonders stark ist. 2009 trat er zum ersten Mal als Bürgermeisterkandidat für seine Heimatstadt an, verlor jedoch, fünf Jahre später abermals. Seit 2011 sitzt Özel im Parlament.
Er gilt als Vertrauter des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoğlu, Kopf der liberalen, weniger ideologischen Parteiecke. Er war lange als möglicher Herausforderer Erdoğans bei den Präsidentschaftswahlen gehandelt worden, musste sich aber wegen drohender Politikverbote zurückziehen.
Mit Özel an der Spitze gewinnt nun auch İmamoğlu an Einfluss innerhalb der Partei. Vor allem bei vielen alteingesessenen CHP-Delegierten ist İmamoğlu eher unbeliebt, während ihn vor allem die Jüngeren in der Partei unterstützen.
Özel dürfte in den kommenden Monaten versuchen, das sozialdemokratische Profil der CHP zu schärfen. Nur so und nicht mit einer Kopie des nationalistischen Kurses Erdoğans könne die CHP erfolgreich sein, ist er der Auffassung. Die CHP solle sich wieder mehr um Armut, Arbeitslosigkeit und den Sozialstaat kümmern. "Wenn wir das Problem nicht erkennen, nicht selbstkritisch sind und die Menschen nicht davon überzeugen, dass wir dazugelernt haben, werden die CHP und die gesamte politische Opposition in den Augen der Wähler überflüssig", sagte er am Parteitag.
Kılıçdaroğlu: "Dolche im Rücken"
Özel ist ein Gegner von Parteienbündnissen, wie sie die CHP bei den Wahlen im Mai eingegangen war. Die Zusammenarbeit mit zum Teil islamischen und nationalistischen Parteien hatte er öffentlich als Fehler bezeichnet.
Kılıçdaroğlu, 13 Jahre lang an der Spitze der CHP, hatte auf dem Parteitag kurz vor der Abstimmung mit seinen Gegnern innerhalb der Partei abgerechnet. Zur Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen sagte er, die Opposition sei nicht geeint genug gewesen. Auch in den eigenen Reihen habe es Widerstände gegeben, er habe mit "Dolchen im Rücken" antreten müssen.
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Viel Einfluss auf die türkische Politik wird die Kursänderung der größten Oppositionspartei aber vorerst nicht haben. Erste Bewährungsprobe: die Kommunalwahlen am 31. März 2024. Die CHP will ihre Macht in Istanbul und Ankara verteidigen, die AKP die Metropolen zurückerobern. Ein Scheitern der CHP würde die Hoffnungen auf einen Machtwechsel im Land zunichte machen, den Zugang zu finanziellen Mitteln und Ämtern erheblich einschränken.
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