Chinas schillernde First Lady

Die Sängerin ist populärer als ihr Mann Xi Jingping, der mächtigste Mann des Landes.

Das dunkelgrüne Kostüm im Militärlook sitzt eng und gibt den Blick auf schöne Beine frei. Peng Liyuan steht mit hochtoupiertem Haar auf einer üppig dekorierten Bühne. Mit Mikrofon in der Hand trällert die 49-Jährige Lieder über die Liebe zum Vaterland.

Peng Liyuan ist die Ehefrau von Xi Jinping, Chinas designiertem Staatspräsidenten. Dem sonst eher nüchternen Technokraten an der Parteispitze verleiht sie einen Hauch von Glamour. Der elegante Gesangsstar ist eine Art kommunistische Judy Garland. Bis vor Kurzem war sie im Volk sogar bekannter als ihr Ehemann. Denn als der noch ein unbedeutender Politiker war, trat sie bei großen Fernsehgalas vor einem Millionenpublikum auf.

In der Bevölkerung hat sie treue Fans, bei Alt und Jung. „Sie hat eine wirklich schöne Stimme“, sagt eine ältere Dame in der Pekinger Innenstadt. Eine junge Frau Anfang 30 begeistert sich für Pengs künftige Rolle: „Als First Lady wird sie auch ins Ausland reisen, sie wird Chinas Image verbessern, weil sie sehr elegant ist und so gut aussieht. Ich glaube, die meisten Ausländer werden von ihr beeindruckt sein.“

Peng Liyuan trägt den Rang eines Generalmajors. Ihre großen Auftritte im Staatsfernsehen hatte sie während der vergangenen Jahre an den nationalen Festtagen. In üppigen Roben und mit Grandezza pries sie den Staat: „Wer hat uns befreit? Der Stern der Kommunistische Partei! Wer baut unsere Straßen und Brücken? Die Volksbefreiungsarmee!“ singt sie in einem ihre Lieder.

Peng Liyuan hat sich während der vergangenen Jahre vor allem ihrer Karriere als Musikerin gewidmet. Sie produzierte mehrere CDs, trat bei großen Galaveranstaltungen auf und unterrichtete Chinas Nachwuchs am Pekinger Zentralkonservatorium, der musikalischen Kaderschmiede des Landes.
Vor ein paar Monaten veröffentlichte die Nachrichtenagentur Bloomberg einen Bericht, in dem sie das Vermögen von Chinas künftigem Parteichef Xi Jinping auf mehrere Hundert Millionen Euro schätzte – durch Beteiligungen nahestehender Dritter an unterschiedlichen Firmen.

Studium in Harvard

Wie viel Geld Peng Liyuan als Sängerin verdient hat, ist hingegen unklar. Sparen muss das Ehepaar jedoch nicht: Seit Kurzem studiert die 1992 geborene Tochter Mingze anonym in Harvard.

Ob Peng Liyuan auch künftig auftreten wird, ist unklar. Denn während der vergangenen drei Jahrzehnte sind Chinas Präsidentengattinnen im Hintergrund geblieben. Die Partei wollte vermeiden, dass sich ein ähnliches Drama wie um Maos Ehefrau Jiang Qing wiederholt. Die hatte sich während der Kulturrevolution resolut in die Politik eingemischt. Nach Maos Tod wurde sie angeklagt und eingesperrt.

Seit abzusehen ist, dass ihr Mann an die Spitze rückt, tritt Peng Liyuan deswegen nur noch selten als Sängerin auf. Stattdessen hat sie das Amt der chinesischen Aids-Botschafterin bei der Weltgesundheitsorganisation übernommen und gibt sich staatstragend. Sie glaube, dass sie eine gute Möglichkeit habe, Aufmerksamkeit auf das Schicksal von Kindern mit HIV zu lenken, sagte sie im Vorjahr in einem Interview im Staatsfernsehen.
Ehemann Xi Jinping hat Peng Liyuan in den 1980er-Jahren kennengelernt. Besonders beeindruckt von ihm sei sie anfangs nicht gewesen, hat sie später in einem Interview erzählt. Alt und hölzern sei Xi ihr damals vorgekommen. Während der vergangenen Monate geisterte das Interview immer wieder durch das chinesische Internet. Kurz vor dem Führungswechsel haben Chinas Zensoren jedoch aufgeräumt. Die meisten Einträge zu Peng Liyuan sind inzwischen gelöscht.

Wer in der großen, imposanten Halle des Volkes in Peking den Blick über die Sitzreihen der 2270 Delegierten schweifen lässt, sieht vor allem eines: Männergesichter. Der Parteitag der kommunistischen Partei ist eine Art Club älterer Herren. Dem mächtigen, 25-köpfigen Politbüro gehört lediglich eine Frau an: Staatsrätin Liu Yandong. Sollte es ihr gelingen, in den Ständigen Ausschuss des Politbüros vorzurücken, das eigentliche Machtzentrum der Partei, so wär sie dort in dem wichtigen Gremium die erste Frau seit Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 überhaupt.

Frauen gehört die Hälfte des Himmels, hat Mao Zedong einmal gesagt. Doch in der politischen Praxis zählt der Ausspruch nicht besonders viel. China hat 22 Provinzen, fünf autonome Regionen und vier zentral gelenkte Stadtstaaten. Aber nur eine Provinz – Anhui im Osten des Landes – wird von einer Politikerin regiert. Gerade einmal vier Frauen schafften es in den vergangenen 30 Jahren auf einen Gouverneursposten.

Gläserne Decke

In der Politik stoßen Frauen in China schnell an eine gläserne Decke. Mehr Erfolg haben sie in Industrie und Wirtschaft. Nach Angaben des chinesischen Wirtschaftsverbandes wird jedes dritte Unternehmen im Reich der Mitte von einer Frau geführt. Auf der Forbes-Liste der Selfmade-Millionärinnen sind unter den ersten 14 Frauen sechs Chinesinnen.

Im Rahmen des jetzt stattfindenden Parteitages war es aber gerade eine elfjährige Nachwuchs-Reporterin, die führende Genossen mächtig in Verlegenheit brachte. Sun Luyan, die für eine chinesische Teenager-Zeitung schreibt, sprach bei einem Treffen führender Funktionäre mit Kindern in ganz und gar nicht chinesischer Journalisten-Tradition geradeaus das heikle Thema Lebensmittelsicherheit an. Sie liebe Snacks, so Sun, aber sie traue sich gerade nicht, welche zu essen, da es so viele Berichte über Probleme bei der Lebensmittelproduktion gebe.

Sie sprach damit die Serie an Lebensmittelskandalen in China an – wie etwa den Skandal um Melamin-verseuchtes Babymilchpulver. Damals starben sechs Babys, 300.000 mussten behandelt werden. Und Sun stellte die Frage: „Was können sie tun, um uns in Sachen Lebensmittelsicherheit zu beruhigen?“ Die Frage wurde an den mit derartiger Offenheit sichtlich überforderten Bildungsminister Yuan Guiren weitergegeben, der sich in Politikerfloskeln flüchtete: Die Regierung nehme das Problem ernst und setzte sich für Lebensmittelsicherheit ein.

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