Steuerreform soll Aufstand abwenden

Kommunismus und Luxus sind in China kein Widerspruch – einen Mao in Gold kann man sogar kaufen.
Armut, Superreichtum und Korruption: Die Kluft zwischen Millionen Armen und dem Luxus der Eliten wächst. Peking will gegensteuern.

Würmer kommen, wenn der Körper vergeht.“ Das chinesische Sprichwort benutzte der designierte Staatschef Xi Jinping, um das korrupte Verhalten der eigenen Eliten anzuprangern. Xi hat sich den Kampf gegen grassierenden Filz und das eklatante Wohlstandsgefälle in China auf die Fahnen geheftet. Eine umfassende Steuerreform soll als erster Schritt die Ungleichheit im kommunistischen Reich der Mitte glätten und den Wohlstand besser verteilen. Es soll nicht mehr der Eindruck entstehen, eine kleine Kaste bekomme den Hals nicht voll, während die anderen hungern.

Die Reform, deren Entwurf am Dienstag im Staatsrat verabschiedet wurde, soll eine Ausweitung der Vermögenssteuer bringen und Sonderabgaben auf Luxusgüter. Auch die Einführung einer Erbschaftssteuer wird geprüft. Der Löwenanteil der Reform steckt im Vorhaben, das Mindesteinkommen auf 40 Prozent des Durchschnittsgehalts zu bringen. 2015 sollen bis zu 80 Millionen Chinesen aus der bittersten Armut geholt werden.

„Luxussteuern sind der Versuch der KP einer Gratwanderung“, sagt Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Sinologin und Vizerektorin der Uni Wien. „Die Partei hat nach den Aufständen von 1989 einen inoffiziellen Pakt mit der Bevölkerung geschlossen: Die Mittelschicht darf reicher werden, dafür wird die Macht der KP nicht infrage gestellt. Was man nicht bedacht hat: Dass die unteren Schichten nicht an den Staat gebunden werden.“

Gleich und gleicher

In China wächst nicht nur die soziale Kluft, sondern auch die Sorge vor Unruhen. Der Gini-Koeffizient, der das Maß an Ungleichheit statistisch misst, beträgt offiziell 0,47 und überspringt damit die Marke von 0,4, ab der ein hohes Risiko für Aufstände gilt. Die Südwestuniversität für Finanzen und Wirtschaft in Chengdu ermittelte in einer Untersuchung gar einen Koeffizienten von 0,61. Damit würde China weltweit zur Spitze der ungleichen Länder gehören. „Die offiziellen Zahlen sind seit Jahren bekannt und unverändert, als ob die Lage gleich geblieben wäre. Aber die Situation hat sich deutlich verschlechtert“, sagt die Sinologin.

Der Wirtschaftsboom hat viele Chinesen abgehängt, die Lebenshaltungskosten explodieren. Nie zuvor war die Einkommensschere zwischen Stadt und Land so groß, wie selbst die Regierung zaghaft zugab.

Die Gefahr eines Aufstands ist real, so die China-Expertin: „Das Risiko einer Destabilisierung ist in China besonders hoch, weil es keine Mechanismen zur Konfliktlösung gibt. So bleiben zwei Möglichkeiten: Stillhalten oder zu radikalen Mitteln greifen.“

Der Debatte um Armut und Ohnmacht im Großteil der Bevölkerung war zudem eine beispiellose Welle an Skandal-Enthüllungen vorangegangen. Korrupte Politiker, Beamte und lokale Größen, die in unerklärbarem Luxus schwelgen, waren im Internet im Wochentakt entblößt worden und hatten einen Aufschrei von Bloggern verursacht: Etwa der Vertuschungsskandal, nachdem der Sohn eines KP-Offiziellen bei Sex-Spielchen mit zwei Frauen im Ferrari einen tödlichen Unfall baute; oder der Sicherheitschef der Stadt Wusu, Qi Fang, der sich zwei Schwestern als Geliebte hielt und sich auf Kosten der Allgemeinheit ein Liebesnest einrichtete. Die jüngsten Skandale betrafen Beamte, die sich mit falschen Identitäten Immobilienimperien aufbauten.

Xi Jinping will auch mit der Korruption aufräumen. Dabei werde sowohl gegen „Fliegen als auch gegen Tiger“ vorgegangen, sagte er. Das Publik-Werden der Korruptionsfälle aber verfolgt zwei Strategien: „Einerseits ist das ein Mittel, um jemanden politisch loszuwerden. Andererseits werden sie als Ventil genutzt: Um der Bevölkerung zu zeigen, dass sich der Staat um Gerechtigkeit kümmert“, so Weigelin-Schwiedrzik. „Aber Paradigmenwechsel ist das keiner.“

Arm und Reich

Einkommensunterschiede Städter verdienen pro Kopf etwa 22.000 (ca. 2.600 Euro) im Jahr, während die große Mehrheit der Chinesen – eine Mrd. lebt weiter auf dem Land – nur knapp 7.000 (etwas über 800 Euro) verdienen. Nach offiziellen Angaben befinden sich 128 Mio. davon unter der Armutsgrenze von 2.300 (270 Euro) im Jahr.

Reiche Polit-Elite Laut dem Hurun Report aus Shanghai gehören 75 der 3.000 Volkskongress-Abgeordneten zu den 1.000 reichsten Chinesen. Sie besitzen im Durchschnitt 7,7 Mrd. (knapp 920 Mio. Euro).

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