China feuert Raketen in Küstennähe Taiwans ab

China feuert Raketen in Küstennähe Taiwans ab
Bis zu zehn Kilometer rücken Chinas Marine und Luftwaffe an die Küste der Insel heran. Man übt Blockade und Invasion.

Es ist mehr als die übliche militärische Routineübung vor der Küste Taiwans. Chinas Volksarmee hat in unmittelbarer Nähe der "rebellischen Provinz" eine beeindruckende Streitmacht zusammengezogen und überschreitet mit der konsequent die Hoheitszonen Taiwans zu Wasser und in der Luft.

Raketen abgefeuert

Am Donnerstag begann man mit dem Abschuss von ballistischen Raketen in unmittelbarer Nähe der Küste. Kampfjet-Geschwader übten Angriffsformationen. Einige der Raketen gingen in der sogenannten "ausschließlichen Wirtschaftszone" Japans, einem Meeresgebiet  vor Taiwan, nieder. Die Regierung in Tokio protestierte wegen des bisher nie dagewesenen Zwischenfalls.

Einen Tag nach dem heftig umstrittenen Besuch der US-Kongressabgeordneten Pelosi demonstriert die Supermacht auch militärisch ihre Empörung. Die sechs Manöverzonen wurden nach strategischen Aspekten ausgesucht. Man werde "die Tür verriegeln und den Hund dreschen", benützt ein chinesischer General ein traditionelles Sprichwort. Staatlichen Medien zufolge wird "scharf geschossen". Ein klarer Hinweis auf das Ziel der Übung: Eine schnelle Blockade der Insel zu simulieren - und die Voraussetzungen für eine Invasion schaffen.

Taiwans Verteidigungsministerium erklärte, die Lage genau zu beobachten. Die Streitkräfte des Inselstaates würden gemäß dem Prinzip handeln, sich "auf einen Krieg vorzubereiten, ohne einen Krieg zu wollen". Es werde auch keine "Eskalation des Konflikts" gesucht.

Nancy Pelosi war am Dienstag und Mittwoch auf Taiwan gewesen. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses war die ranghöchste US-Vertreterin seit 25 Jahren, die Taiwan einen Besuch abstattete. Die Regierung in Peking, die die Insel als Teil des chinesischen Territoriums ansieht, reagierte erbost auf den Besuch und hat die massiven Militärmanöver angekündigt, die in den nächsten Tagen ablaufen.

Bereits am Mittwochabend hat Taiwan nach Angaben des Verteidigungsministeriums nicht identifizierte chinesische Flugkörper über den Kinmen-Inseln mit Leuchtraketen vertrieben. Zwei chinesische Flugobjekte, wahrscheinlich Drohnen, seien zweimal in das Gebiet eingedrungen, sagte Generalmajor Chang Zone-sung vom Kinmen-Verteidigungskommando am Donnerstag.

Auch ist Taiwan mit Cyberattacken konfrontiert. So war die Webseite des taiwanesischen Verteidigungsministeriums kurzfristig nicht erreichbar. Die Regierung forderte Unternehmen auf, ihre Sicherheitsmaßnahmen zu verbessern, da man mit einer Rekordzahl an Attacken auf Webseiten konfrontiert sei.

Die Außenminister des südostasiatischen Staatenbündnisses ASEAN warnten am Donnerstag vor Beginn der Militärmanöver, die derzeitige Situation könne zu "Fehlkalkulation, ernsthafter Konfrontation, offenen Konflikten und unvorhersehbaren Konsequenzen zwischen Großmächten führen". Es müsse jetzt auf jede "provokative Aktion" verzichtet werden, erklärten die Minister bei einem ASEAN-Treffen in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh.

Bereits am Mittwoch hatten die G7-Staaten Chinas Reaktion auf Pelosis Besuch kritisiert. "Es gibt keine Rechtfertigung dafür, einen Besuch als Vorwand für aggressive Militäraktionen in der Taiwanstraße zu nutzen", erklärten die G7-Außenminister. "Wir sind besorgt über die jüngsten und angekündigten Drohgebärden der Volksrepublik China, (...) die eine unnötige Eskalation riskieren."

US-Flugzeugträger wird Situation beobachten

Ungeachtet des Streits über den Taiwan-Besuch sind den USA zufolge die Kommunikationswege zu China weiter offen. Dies sei auf verschiedenen Ebenen der Fall, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Donnerstag. Seine Regierung würde eine Deeskalation der Spannungen auf diplomatischem Wege unterstützen, erklärte er. Kirby nannte die jüngsten Militärübungen Chinas eine "bedeutende Eskalation".

Die USA gehen davon aus, dass die chinesische Reaktion noch einige Tage anhalten werde. Der US-Flugzeugträger "Ronald Reagan" werde in der Region bleiben, um die Situation zu beobachten

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