In Europa und den USA regiert seither die Sorge, Xi wolle damit signalisieren, dass er die G20 als westlich-kontrolliertes Gremium ablehne und verstärkt auf Organisationen wie BRICS oder die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) setzt, in denen China eine dominante Rolle spielt.
Im Gastgeberland Indien, dass sowohl bei BRICS als auch bei der SCO vertreten ist, wurde die Absage als schwerer Affront aufgefasst. Die Beziehung zwischen den beiden größten Nationen der Erde sind aufgrund der wirtschaftlichen Konkurrenz und Grenzstreitigkeiten angespannt.
Erst vergangene Woche hatte Chinas Regierung eine Landkarte veröffentlicht, in der sie indische Himalaya-Gebiete als eigenes Territorium beansprucht.
➤ Mehr dazu: Warum Chinas und Indiens Machtkampf den Himalaya gefährdet
Diesen innenpolitischen Grund sehen Experten für die Absage Xi Jinpings
Etliche Experten wie Abigael Vasselier vom Mercator-Institut für China-Studien (MERICS) gehen dagegen davon aus, dass Xi auf innenpolitischen Druck hin abgesagt haben dürfte.
Wie jedes Jahr zog sich die Führung der kommunistischen Partei im August zu einer dreiwöchigen Klausur an den Badeort Beidaihe zurück. Dabei soll Xi wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage im Land harsch kritisiert worden sein und versprochen haben, der Krise fortan Priorität einzuräumen.
Warum immer dermaßen viel spekuliert wird, wenn Xi Jinping vom Protokoll abweicht
Dass jedes Mal derart intensiv spekuliert wird, wenn sich Xi vertreten lässt oder vom üblichen Protokoll abweicht, liegt zum einen an der Undurchsichtigkeit der chinesischen Regierung. Die kommunistische Partei erhebt ihre Spitzenfunktionäre nach außen hin gerne zu unfehlbaren Figuren, weshalb Berichte über Krankheitsfälle in der Parteispitze tabu sind.
➤ Bis heute gibt es etwa keine Erklärung dafür, dass Chinas Ex-Außenminister Qin Gang Ende Juni aus dem Amt entfernt wurde.
Besonders laut brodelt die Gerüchteküche, wenn Machthaber Xi aus der Norm fällt. Gerade weil der 70-Jährige über Jahre hinweg so viel Macht auf sich vereint hat wie kaum ein Chinese vor ihm, hängt fast jede Entscheidung an seiner Person.
Sorge in den USA: Sagt Xi auch ein geplantes Treffen mit Biden ab?
Seine Vertreter verfügen nicht einmal im Ansatz über dieselbe Autorität, auch Ministerpräsident Li Qiang nicht. Sie können daher bei wichtigen Treffen, wie dem geplanten Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident Joe Biden am Rande des G20-Gipfels, auch keinerlei Zugeständnisse machen.
Xis historische Absage nährt auch Sorgen in den USA, dass der chinesische Präsident einen Gipfel mit Biden im November in San Francisco nicht wahrnehmen könnte. Das Treffen war im Sommer von US-Außenminister Blinken bei einem Besuch in China eingefädelt worden. Es wäre Xis erster Besuch in den USA seit acht Jahren gewesen.
Kommentare