Chaos-Tage in London: EU lässt sich bei Brexit-Aufschub Zeit

Boris Johnson im November 2017 mit Studentinnen und Pferdefutter in Dublin, Irland.
Nach der Verschiebung der Abstimmung im britischen Parlament traten die EU-Botschafter zusammen. Die EU lässt sich die Entscheidung über einen späteren Brexit offen.

Wieder einmal herrscht in London das Brexit-Chaos: Die britische Regierung hat bei der Europäischen Union entsprechend den gesetzlichen Vorgaben eine Verschiebung des Austritts beantragt - will diesen aber trotzdem pünktlich am 31. Oktober durchziehen.

Dies ergibt sich aus insgesamt drei Briefen, die in der Nacht auf Sonntag nach Brüssel gingen. Auf EU-Seite wird ein geregelter Brexit übernächste Woche noch nicht ausgeschlossen.

Am Samstag hatten sich die Ereignisse überschlagen: Das Unterhaus sollte eigentlich über den neuen Brexit-Deal von Premierminister Boris Johnson abstimmen, wegen des angenommenen Antrags des Ex-Tories-Abgeordneten Oliver Letwin wurde die Entscheidung aber vertagt. Der Antrag war also von einem ehemaligen konservativen Parteifreund Johnsons eingebracht worden. Damit war der Premier gesetzlich gezwungen, eine Bitte um Fristverlängerung bis 31. Jänner nach Brüssel zu schicken – darum auch die Begleitpost.

Die EU-Mitgliedstaaten werden unterdessen nicht sofort über den britischen Antrag zur Verschiebung des Brexits entscheiden. EU-Ratschef Donald Tusk werde die Mitgliedstaaten erst "in den nächsten Tagen" konsultieren, sagte der europäische Verhandlungsführer Michel Barnier nach einem Treffen mit den EU-Botschaftern am Sonntag in Brüssel.

Tusk wird in der kommenden Woche ausloten, ob die EU-Staaten nochmals Aufschub gewähren. Die Botschafter der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten, die am Sonntag für Beratungen über die weitere Vorgehensweise in Brüssel zusammentrafen, nahmen den Verlängerungsantrag nur "zur Kenntnis". Bei der späteren Entscheidung darüber würden "weitere Entwicklungen auf der britischen Seite" einbezogen.

Minister Gove: Ungeregelter Brexit wahrscheinlicher

Der britische Staatsminister Michael Gove beharrte am Sonntag auf dem Austrittstermin Ende Oktober und drohte erneut, notfalls gehe Großbritannien ohne Vertrag. Diese Gefahr sei nach den Entscheidungen des britischen Parlaments am Samstag gestiegen. Allerdings setzt eine Mehrheit des Unterhauses alles daran, einen solchen Chaos-Brexit zu verhindern. In diesem Szenario drohen wirtschaftliche Turbulenzen, Unsicherheit und sogar Versorgungsengpässe auf der Insel.

Die sozialdemokratische Labour Party will Neuwahlen. Diese seien unvermeidlich, sagte ein Parteisprecher am Sonntag. Labour werde außerdem einen Antrag auf eine zweite Volksabstimmung zum Brexit unterstützen.

Johnson habe sich kindisch verhalten, indem die Regierung einerseits einen Aufschub des Brexit bei der EU beantragt habe, Johnson selbst diesen in einem zweiten Brief aber als unsinnig bezeichnet habe, betonte der Labour-Sprecher.

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