Die Merz-Zunge
Friedrich Merz war immer ein guter Redner. Er hat als Jungpolitiker Redewettbewerbe gewonnen, und später, als man ihn in ganz Deutschland kannte, fürchteten sogar Parteikollegen seine scharfen Zunge. Jetzt, wo Merz dort angelangt ist, wo er immer hinwollte, hat man ihm geraten, er möge diese doch besser im Zaum halten: Im Kanzleramt müsse er den Staatsmann geben, in gewisser Weise fast überparteilich sein.
An diesem Donnerstag hätte er das besonders beherzigen sollen. Da war der CDU-Chef angetreten, um die Grünen einzukochen, für seinen „historischen“ Milliardenplan, wie Kommentatoren ihn nennen: Er ist von ihrer Zustimmung abhängig, um die Verfassung für seinen Milliardenplan zu ändern – mit etwa einer Billion Euro Schulden soll Deutschland „wieder verteidigungsfähig werden“ und „auf die internationale Bühne“ zurückkehren, wie er sagt. 500 Milliarden sollen in Infrastruktur fließen, um kaputte Brücken, die Bahn und marode Schulen zu sanieren; dazu soll die Schuldenbremse, ein Unions-Heiligtum, gelockert werden, um die in die Jahre gekommene Bundeswehr mit nach oben hin offenen Krediten aufzurüsten.
Das Mailbox-Desaster
Gelungen ist es Merz bisher nicht, die Grünen an Bord zu holen. Im Gegenteil, all seine Anwerbe-Versuche wurden in Windeseile zum Politikum: Nachdem er den Milliardenplan mit der SPD paktiert hatte, informierte er die Grünen nur darüber – etwa eine Stunde vor der Pressekonferenz, und das auch nur per Mailbox-Nachricht. Die Umworbenen kommentierten hämisch: Merz hätte ihnen angeboten, „irgendwo das Wort Klima vielleicht noch zu erwähnen“, sagte Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner.
Auch nach der Bundestagssitzung vom Donnerstag dürfte sich die Stimmung in der Ökopartei nicht gebessert haben. Nach Merz’ Auftritt warf ihm Fraktionschefin Katharina Dröge wiederum „Parteitaktik“ vor, sie sagte sogar: Er sei „noch nie in der Lage gewesen, die Interessen dieses Landes über seine eigenen zu stellen.“
Dieser Vorwurf muss den CDU-Chef besonders schmerzen. Lange wurde Merz auch in seiner Partei vorgeworfen, ein übergroßes Ego zu haben und an Kompromissen nicht interessiert zu sein; jetzt erfüllt er diese Angst zum Teil mit Leben. Denn inhaltlich hätte sein Auftritt am Donnerstag vielleicht als Brückenschlag gereicht, schließlich hat er den grünen Wunsch nach fixen Geldzusagen für den Klimaschutz berücksichtigt. Aber der Stil war es, der die Grünen irritierte: Auch von den Abänderungen dürften sie erst durch seine Rede erfahren haben. „Angebote für Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum“, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann dazu.
Zeit läuft davon
Merz’ könnte das alles als politisches Geplänkel abtun, würde ihm nicht die Zeit davonlaufen. Er will – und muss – das Milliardenpaket im alten Bundestag durchboxen, also in der Zusammensetzung von vor der Wahl – da verfügen Union, SPD und Grüne über eine Zweidrittelmehrheit. Das geht nur mehr am Dienstag, da tritt der alte Bundestag zum letzten Mal zusammen. Bei der folgenden Sitzung ist es dafür zu spät – im neuen Bundestag haben AfD und Linkspartei eine Sperrminorität; und dass die beiden dem Schuldenpaket zustimmen, ist mehr als unwahrscheinlich.
Merz’ selbst fragte bei seinem Auftritt: „Ist scheitern eine Option?“ und beantwortete das klar mit „Nein“. Ganz gewiss kann er sich aber nicht sein: Überredet er die Grünen nicht, ist sein Milliardenplan obsolet; auch die SPD würde ihn das bei den Koalitionsverhandlungen spüren lassen. Wann und wie er dann ins Kanzleramt einziehen kann, stünde so in den Sternen.
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