Brexit-Wortführer Farage tritt zurück

Trotz schlechtem Wahlergebnis: Die Partei hält an Farage fest.
Nigel Farage zieht sich als Chef der rechtspopulistischen und europakritischen UKIP-Partei zurück. Damit tritt einer der vehementesten Brexit-Befürworter ab.

Der Brexit-Befürworter und Chef der EU-feindlichen UKIP-Partei, Nigel Farage, tritt zurück. Er werde aber weiterhin die Partei sowie "Unabhängigkeitsbewegungen" in anderen EU-Ländern unterstützen und die Trennungs-Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der EU mit Argusaugen beobachten, sagte der rechtspopulistische Politiker. Zugleich forderte er, dass der neue Premierminister ein Befürworter des Austritts aus der EU sein müsse. Farage wolle aber keinen Kandidaten unterstützen.

Zur Begründung sagte er: "Während der Referendumskampagne habe ich erklärt, dass ich mein Land wieder haben will. Jetzt sage ich, dass ich mein Leben wieder haben will."

"Aufgabe erfüllt"

Er habe mit dem Votum für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union seine "Aufgabe erfüllt", sagte der 52-Jährige am Montag bei einer Pressekonferenz in London. "Ich war und wollte niemals ein Karrierepolitiker sein", sagte er. "Mein Ziel in der Politik war es allein, Großbritannien aus der Europäischen Union herauszubekommen."

"Ohne UKIP hätte es kein Referendum gegeben", meinte der langjährige Europaabgeordnete, der seit Jahrzehnten für den EU-Austritt Großbritanniens kämpft. Farage war neben dem Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson von den Konservativen der wichtigste Vorkämpfer des Austrittslagers vor dem EU-Referendum vom 23. Juni. Sein Rückzug ist die zweite große Überraschung nach dem Referendum. Erst vor wenigen Tagen hatte Johnson seinen Verzicht auf eine Kandidatur für das Amt des Premierministers angekündigt. Premier David Cameron, der für den Verbleib in der EU gekämpft hatte, kündigte nach dem Votum seinen Rücktritt für die nächsten Monate an.

Im Mai 2015 ist Farage bereits einmal zurückgetreten, als er bei den Wahlen nicht ins Unterhaus gewählt wurde. Schon bald darauf hatte es sich der UKIP-Chef aber anders überlegt. Diesmal werde so etwas nicht passieren, sagte Farage.

Empörte Reaktionen aus Europa

Farages Rückzug sorgte unter EU-Politikern für Empörung. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bezeichnete den Schritt als "sehr feige". Auch der Fraktionsvorsitzende der EVP im EU-Parlament, der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber, übte Kritik: "Farage sagt, dass er sein Leben zurück wolle. Er sollte lieber über das Leben all jener Briten nachdenken, die er von Europa abgeschnitten hat." In das gleiche Horn stieß der EU-Delegationsleiter der ÖVP, Othmar Karas: "Die Zündler schleichen sich davon."

Rücktritt nach Karrierehöhepunkt

Der Rücktritt Farages erfolgt just nach seinem größten politischen Triumph. Der Kampf für den Austritt seiner Insel aus der EU ist für Nigel Farage eine Lebensaufgabe. Entsprechend bedeutete das Brexit-Votum für den Chef der UK Independence Party die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Tag und Nacht hatte er seit der Gründung der UKIP 1993 für den Austritt aus dem verhassten Staatenbund gekämpft. Er stand seit 2010 an der Spitze der Unabhängigkeitspartei, bereits zuvor war er von 2006 bis 2009 UKIP-Chef gewesen.

Kurz vor dem Brexit-Referendum veranstaltete er sogar einen Schiffskorso auf der Themse, um nach Stimmen zu fischen. Dabei traf die Flotille auf EU-Befürworter wie den Popstar Bob Geldof:

Tränen

Als am 24. Juni das Ergebnis des EU-Referendums verkündet wurde, hatte er Tränen in den Augen vor Freude über ein endlich "unabhängiges Vereinigtes Königreich". Mit seinen verbalen Attacken fesselte der 52-jährige Europa-Hasser während der Brexit-Kampagne regelmäßig die Aufmerksamkeit der Medien und begeisterte mit seiner scharfen Rhetorik seine Anhänger. Gemäßigten Konservativen galt der starke Raucher und Trinker, der gerne mit einem Bier in der Hand und einer Zigarette zwischen den Lippen im Pub seine Volkstümlichkeit demonstriert, dagegen als zu radikal und zu kontrovers. Der ehemalige Rohstoffhändler sorgte immer wieder mit populistischen und fremdenfeindlichen Parolen für Schlagzeilen.

Sein verruchtes Image verhinderte auch sechs Mal, dass die Briten Farage ins Londoner Parlament wählten. Nicht verlegen, trat der Europagegner daraufhin zur Wahl des EU-Parlaments in Straßburg an, wo er seit 1999 ohne Unterbrechung sitzt. Wie andere Rechtspopulisten auch sieht er keinen Widerspruch darin, im Europaparlament zu sitzen und trotzdem in den schrillsten Tönen gegen die "korrupten" und "antidemokratischen" EU-Institutionen zu hetzen.

Drei Mal dem Tod entgangen

Die rastlose Energie, mit der Farage Politik betreibt, rührt womöglich auch aus der Erkenntnis, dass das Leben jederzeit vorbei sein kann. Der 1964 im Süden Londons geborene Farage entging nämlich schon drei Mal nur knapp dem Tode: Erst 20-Jährig war er beim Verlassen eines Pubs von einem Auto erfasst und so schwer verletzt worden, dass ihm ein Bein amputiert werden musste. Wenige Monate später dann wurde bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert.

Brexit-Wortführer Farage tritt zurück
UK Independence party leader Nigel Farage poses on a passenger boat as he accompanies a Brexit flotiall of fishing boats on the river Thames past the Houses of Parliament in London on June 15, 2016. A Brexit flotilla of fishing boats sailed up the River Thames into London today with foghorns sounding, in a protest against EU fishing quotas by the campaign for Britain to leave the European Union. / AFP PHOTO / BEN STANSALL
Vom Krebs geheilt, heiratete er eine Krankenschwester, von der er zwei Söhne hat. Später ehelichte er eine Deutsche, Kirsten Mehr, mit der er zwei Töchter hat.

Ein drittes Mal wäre er fast gestorben, als sein Flugzeug am Tag der Wahlen 2010 abstürzte, weil ein Werbebanner in den Propeller geraten war. Farage überlebte mit mehreren gebrochenen Rippen und einer perforierten Lunge, doch leidet er bis heute an den Folgen, wie sein steifer Gang bezeugt.

Stärkste Kraft bei EU-Wahl

Trotz der Verletzungen stürzte sich Farage nach dem Unfall mit noch größerer Verve in die Politik, ergriff die Führung seiner Partei und wurde bald zu ihrem führenden Gesicht. Bei der Europawahl 2014 gelang es seiner Partei, stärkste Kraft zu werden, was Farage die Ausrufung zum "Briten des Jahres 2014" durch die Times einbrachte. Nach der Ankündigung eines EU-Referendums durch Premier David Cameron im Januar 2013 warf Farage sich dann in den Brexit-Wahlkampf.

Mit breitem Grinsen posierte er vor dem Referendum vor einem Plakat, das in polemischer Weise vor Einwanderung warnte. Seine Gegner warfen ihm deshalb völlige Skrupellosigkeit vor, doch wie auch immer man es nennt - es hat sich ausgezahlt. "Wir haben eine scheiternde politische Union zurückgelassen", freute er sich nach dem Brexit-Votum. "Die EU ist am Scheitern, die EU ist am Sterben. Ich hoffe, wir haben den ersten Stein aus der Wand gebrochen."

In Großbritannien sieht Farage seine politische Arbeit offenbar beendet. Ob er im EU-Parlament weiter so unbeirrt am Zerbrechen der EU arbeitet, bleibt offen.

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